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Jack Holborn

Jack Holborn

Titel: Jack Holborn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon Garfield
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hatte, um es zu vergeuden, außer meinem Leben. Shem, der Pygmäe, dessen Kopf mir nicht bis an die Schulter reichte, ging stumm neben mir her und hielt die Augen mit gewohntem Ernst gesenkt. Die anderen waren alle fort: Mister Fared mit dem portugiesischen Kapitän – und Sir Joseph war Kapitän Farmer auf den Fersen.
    In Mister Thompsons muffigem Laden reichten zehn Pfund recht weit, um den großen Richter wieder in einen Gentleman umzuwandeln, obwohl ich persönlich fand, daß das Geld sinnlos ausgegeben wurde. Mit der Hälfte hätte man das gleiche erreichen können, aber seine Lordschaft hatte eine verschwenderische Strähne in seinem Charakter und wählte so teuer, wie er konnte. Der arme Mister Trumpet, der dafür bezahlte (Lord Sheringham hatte kurzsichtigerweise seinen Schatz im Wald fallenlassen, als er gefangengenommen wurde), der arme Mister Trumpet ging nach draußen, um sich zu schonen. Aber er ging auch, um unsere Passage auf Kapitän Farmers Schiff zu sichern.
    Das kostete ihn einen guten Teil seiner zweihundert Guineas, doch er trug es mit guter Miene und tat so, als hätte er ein Geschäft gemacht. (Er hielt es stets für unehrenhaft, übers Ohr gehauen zu werden, fast schon beschämend.)
    Dann am späten Nachmittag, nach einer Mahlzeit von seltsamem Fleisch und Madeirawein mit Mister Thompson (geschenkt, Gott sei Dank, sonst hätte es uns ein Vermögen gekostet) gingen wir an Bord der Lady Jane, einem Schiff, das etwas größer war als die Charming Molly und sechzehn Kanonen hatte, die so blank geputzt waren, wie Mister Morris nur hätte wünschen können.
    Lord Sheringham war ein bißchen enttäuscht, daß sein Freund Shem ohne große Abschiedszeremonien davongegangen war, aber ich dachte, daß er den Verlust verschmerzen würde.
    Mister Thompson war bis zum letzten Augenblick freundlich, was auch zu verstehen war, da er an unserer kurzen Bekanntschaft erheblich verdient hatte, einschließlich der letzten zehn Pfund für die feine Schale Seiner Lordschaft. (Einen Stock mit goldenem Knauf mußte er haben! Als hätte ihn schlichtes Holz nicht ebenso gut gestützt!) Er schüttelte uns allen die Hand – meine zuerst und zuletzt – und sagte, dies sei ein Tag, den er sein ganzes Leben in Erinnerung behalten werde. »Holborns Tag« wollte er ihn nennen – »Holborns Tag: der dreiundzwanzigste September. Jedes Jahr mache ich mir daraus einen Feiertag und tue keine Arbeit. So! Um mich an Ihre liebe Person zu erinnern, Sir!«
    Am späten Nachmittag des dreiundzwanzigsten September gingen wir also an Bord der Lady Jane. Und als wir sie betraten, fiel mir ein, Lord Sheringham an etwas zu erinnern. Das tat ich auch, und er wandte sich um und sah mich mit verletzter Überraschung an – als hätte ich ihm ein Messer in den Leib gesteckt.
    »Mein Lord«, sagte ich. »Dies ist das zweite Mal , daß ich Sie gerettet habe. Jetzt fehlt nur noch ein Mal.«

XX
    Der erste Tag auf See, hell und schwach bewegt mit einem guten Wind von achtern. Wenn es so blieb, konnten wir bis November in Weymouth sein.
    Die Nacht kam scharf und plötzlich in diesen Gewässern, wobei die Sonne wie ein Goldstück in eine stille Tasche schlüpfte. An allen Punkten, Steuerbord und Backbord, wurden Doppelwachen ausgestellt, und zwei Mann blieben im Mastkorb.
    Dann ging ich allein zu Bett, während Mister T. und Lord S. (»Mister Rogers« an Bord: schlicht »Mister Rogers«) bis spät in der großen Kajüte aufblieben, zusammen mit Sir Joseph und Kapitän Farmer, und über dem klebrigen, Übelkeit erregenden Madeirawein hindämmerten.
    Als Mister Trumpet und »Mister Rogers« zurückkamen, sprachen sie laut miteinander, bis ihnen einfiel, daß ich vielleicht schlief. Sie taumelten also in ihre Betten, während ich ruhig dalag, wartete, bis sie einschliefen und es mir überließen, die Nacht über wachzuliegen, während die Lady Jane seufzte und knarrte wie eine vornehme Matrone in ihren Korsettstangen.
    Am Ende der ersten Woche wurden wir so plötzlich von einem Sturm überfallen, daß uns keine Zeit blieb, die Sturmbesegelung aufzuziehen. Unser Focksegel wurde mitten durchgerissen, und der Segelmacher brauchte zwei Tage, um den Schaden zu reparieren. Er steppte und grunzte und zerrte die lichtlangen Stunden.
    »Sachte da. Uff! Siehst du diese Hände? Diese geriffelten Finger, Junge? Präg sie dir ein, und wenn du einen Mann mit solchen Hornhänden siehst, dessen Zeigefinger so tief und glänzend gerillt ist, dann kennst du sein

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