Jack McEvoy 01 - Der Poet
Tresen heran, um zu vermeiden, dass die ganze Dienststelle unsere Unterhaltung mithörte. »Ich möchte Detective Thomas sprechen.«
Ich holte meinen Presseausweis aus der Tasche.
»Denver«, sagte der Polizist - vermutlich für den Fall, dass ich vergessen hatte, wo ich herkam. »Ich werde fragen, ob er schon zurück ist. Erwartet er Sie?«
»Nicht, dass ich wüsste.«
»Was hat Denver mit - ja, ist Ed Thomas da? Hier ist jemand aus Denver, der ihn sprechen möchte.«
Er hörte ein paar Sekunden lang zu, hob leicht irritiert die Brauen und legte dann auf. »Okay. Gehen Sie diesen Korridor entlang. Zweite Tür links.« Ich dankte ihm und machte mich auf den Weg. An beiden Wänden hingen Dutzende von gerahmten Fotos von Leuten aus dem Showgeschäft, von Softball-Teams der Polizei und von Polizisten, die in Ausübung ihres Dienstes ums Leben gekommen waren. An der Tür, zu der ich gewiesen worden war, stand MORDKOMMISSION. Ich klopfte an, wartete eine Sekunde auf Antwort, und als sich nichts rührte, öffnete ich die Tür und trat ein.
Rachel saß hinter einem der sechs Schreibtische im Zimmer. Die anderen waren leer.
»Hallo, Jack.«
Ich nickte. Im Grunde war ich nicht überrascht, sie zu sehen.
»Was tust du hier?«
»Merkwürdige Frage, da du doch offensichtlich auf mich gewartet hast. Wo ist Thomas?«
»Er ist in Sicherheit.«
»Wozu all diese Lügen?«
»Welche Lügen?«
»Thorson hat gesagt, Gladden sei kein Verdächtiger. Er hat gesagt, er sei überprüft und dann ausgeschieden worden. Deshalb bin ich gekommen. Ich hatte das Gefühl, dass er sich entweder irrte oder gelogen hatte. Weshalb hast du nicht zurückgerufen, Rachel? Diese ganze Geschichte ...«
»Jack, ich hatte mit Thomas alle Hände voll zu tun, und ich wusste, wenn ich anrief, würde ich dich belügen müssen, und das wollte ich nicht.«
»Also hast du das von Thorson besorgen lassen. Großartig, danke. Das macht die Sache wesentlich besser.«
»Spiel nicht den Beleidigten, Jack. Es gab Dinge, um die ich mir mehr Sorgen machen musste als um deine Gefühle. Es tut mir Leid. Schließlich bin ich jetzt hier. Und was glaubst du, warum ich hier bin?«
Ich zuckte die Achseln.
»Ich wusste, dass du kommen würdest, ganz gleich, was Gordon dir erzählte«, sagte sie. »Ich kenne dich, Jack. Ich brauchte nur die Fluggesellschaften anzurufen. Ich hoffe allerdings, dass Gladden dieses Gebäude hier nicht beobachtet. Du warst mit uns zusammen im Fernsehen. Das bedeutet, dass er dich vermutlich für einen FBI-Agenten hält. Wenn er dich hier gesehen hat, weiß er, dass wir hinter ihm her sind.«
»Aber wenn dem so ist, dann habt ihr ihn jetzt, stimmt’s? Weil ihr dieses Gebäude rund um die Uhr überwacht.«
Sie lächelte dünn. Ich hatte richtig geraten.
Rachel griff nach einem Funksprechgerät auf dem Tisch und rief ihre Kommandozentrale an. Ich erkannte die Stimme, die sich meldete. Es war die von Backus. Sie teilte ihm mit, dass sie mit einem Besucher kommen würde. Dann beendete sie das Gespräch und stand auf.
»Gehen wir.«
»Wohin?«
»Zur Kommandozentrale. Es ist nicht weit.«
Ihre Stimme war barsch, kurz angebunden.
Sie gab sich mir gegenüber sehr kühl, und es fiel mir schwer, mir vorzustellen, dass es noch keine vierundzwanzig Stunden her war, seit ich mit dieser Frau im Bett gelegen hatte. Ich sagte nichts, während wir einen Korridor entlanggingen, das Gebäude durch eine Hintertür verließen und auf einen Parkplatz gelangten, wo ihr Auto stand.
»Ich habe einen Wagen vor dem Vordereingang«, sagte ich.
»Den musst du fürs Erste dort stehen lassen. Es sei denn, du willst allein weitermachen und deine Cowboy-Scheiße abziehen.«
»Rachel, das alles wäre vermutlich nicht passiert, wenn ihr mich informiert hättet. Ich wäre vielleicht nicht einmal hierhergekommen.«
»Klar.«
Sie stieg ein, ließ den Motor an und öffnete mir dann die Beifahrertür. Es ärgert mich immer, wenn Leute das tun, aber ich stieg wortlos ein. Sie verließ den Parkplatz und fuhr mit hoher Geschwindigkeit den Sunset Boulevard entlang. Sie schwieg, bis eine rote Ampel sie zum Anhalten zwang.
»Woher kennst du den Namen, Jack?«
»Welchen Namen?«, fragte ich, obwohl ich wusste, wen sie meinte.
»Gladden, Jack. William Gladden.«
»Ich habe meine Hausaufgaben gemacht. Wie seid ihr auf ihn gekommen?«
»Das kann ich dir nicht sagen.«
»Rachel ... Hör zu, du sprichst mit mir, okay? Wir haben - äh ...« Ich konnte es einfach nicht laut
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