Jack McEvoy 01 - Der Poet
Rachels Black and Tan über den Tisch und nahm einen großen Schluck.
»Also, abgesehen von dem, was er dir erzählt hat«, wechselte ich das Thema, »welchen Eindruck hattest du von Gladden? War er wirklich so intelligent, wie jedermann hier zu glauben scheint?«
Sie schien ihre Gedanken zu ordnen, bevor sie antwortete. »William Gladden wusste, dass seine sexuellen Gelüste juristisch, gesellschaftlich und kulturell inakzeptabel waren. Ich glaube, er hat eindeutig darunter gelitten. Ich glaube, er lag im Clinch mit sich selbst und versuchte, seinen Drang und seine Gelüste zu verstehen. Er wollte uns seine Geschichte erzählen, und sei es in der dritten Person. Ich glaube, er war überzeugt, dass er dadurch sich selbst genauso helfen würde wie anderen Leuten, die ebenso veranlagt waren. Das alles deutet auf einen hochintelligenten Menschen hin. Die meisten der Männer, die wir interviewten, waren einfältig. Primitiv. Sie begingen ihre Taten fast instinktiv, oder als seien sie darauf programmiert worden. Sie taten es, ohne viel darüber nachzudenken. Gladden war anders.«
»Was du eben gesagt hast, ist merkwürdig. Dass er unter seiner Veranlagung gelitten hat. Das hört sich nicht nach dem Kerl an, hinter dem wir jetzt her sind. Der, nach dem wir suchen, scheint wegen seiner Taten ziemlich wenig Gewissensbisse zu haben.«
»Das stimmt. Aber wir haben eine Menge Beweise dafür, dass sich Verbrecher wie er verändern, weiterentwickeln. Es gibt Beispiele dafür, dass jemand mit William Gladdens Hintergrund - wenn er nicht behandelt wird, sei es mit einer medikamentösen Therapie oder auf andere Weise - sich zu jemandem wie dem Poeten entwickeln kann. Menschen können sich tatsächlich ändern. Nach den Interviews hat er noch ein weiteres langes Jahr im Gefängnis verbracht, bevor er sein Revisionsverfahren gewann und den Deal abschloss, der ihn herausbrachte. In den Gefängnissen haben Pädosexuelle am meisten auszustehen. Deshalb schließen sie sich eng zusammen - genau wie draußen. Und deshalb war Gladden viel mit Gomble und anderen Pädosexuellen in Raiford zusammen. Also, es überrascht mich keineswegs, dass der Mann, den ich vor vielen Jahren interviewt habe, zu dem Mann geworden ist, den wir heute den Poeten nennen. Ich kann es nach vollziehen.«
In der Nähe von einem der Dartboards brandete Gelächter und Applaus auf und lenkten mich ab. Offenbar war der Champion des Abends gekrönt worden.
»Lass uns jetzt nicht mehr über ihn sprechen«, sagte Rachel, als ich sie wieder ansah. »Es ist fürchterlich deprimierend.«
»Okay.«
»Was ist mit dir?«
»Ich bin auch deprimiert.«
»Nein, ich meine, hast du schon mit deinem Redakteur gesprochen, ihm gesagt, dass du wieder bei uns bist?«
»Nein, noch nicht. Ich muss ihn morgen früh anrufen und ihm beibringen, dass er aus diesem Grund vorerst keinen Fortsetzungs-Artikel von mir bekommt.«
»Und wie wird er das aufnehmen?«
»Er wird sauer sein. Wird trotzdem auf einer Fortsetzung bestehen. Aber was soll’s. Er hat andere Reporter. Er kann einen von ihnen daransetzen und Zusehen, was der herausbringt. Es wird nicht viel sein. Schließlich wird Michael Warren einen weiteren Exklusivbericht in die L. A. Times bringen, und dann stecke ich wirklich in der Scheiße.«
»Du bist ja mächtig zynisch.«
»Ich bin Realist.«
»Mach dir wegen Warren keine Sorgen. Gor - wer immer ihm Informationen zugespielt hat, wird es nicht noch einmal tun. Damit würde er bei Bob zu viel riskieren.«
Auf dem Rückweg kam es mir sogar noch kälter vor. Ich hätte gern meinen Arm um sie gelegt, wusste aber, dass sie es nicht zulassen würde. Die Straße hatte Augen, und so versuchte ich es gar nicht erst. Als wir uns dem Hotel näherten, fiel mir eine Geschichte ein, und ich erzählte sie ihr. »Weißt du noch, wie in der High School ständig Informationen darüber die Runde machten, wer wen mag und wer in wen verknallt ist?«
»Ja, ich erinnere mich.«
»Nun, ich war bis über beide Ohren in ein Mädchen verliebt. Und ... ich weiß nicht mehr, wie es passiert ist, aber alle schienen es zu wissen. Und wenn das der Fall war, wartete man für gewöhnlich ab, wie sie reagierte. Es war einfach so, dass ich wusste, dass sie wusste, dass ich sie begehrte, und sie wusste, dass ich es wusste. Verstehst du?«
»Ja.«
»Das Problem war nur, dass ich kein Selbstvertrauen hatte und ... ich weiß nicht. Eines Tages war ich in der Turnhalle, saß auf der Zuschauertribüne. Da
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