Jack McEvoy 01 - Der Poet
zur Tür. Dort neigte ich lauschend den Kopf, hörte aber nichts. In der Tür befand sich ein Spion, aber ich hielt es für falsch, hindurchzuschauen, wegen des Schattens.
In diesem Augenblick stellte Rachel die Dusche ab. Nach ein paar Augenblicken ohne ein weiteres Geräusch trat ich doch vor den Spion und schaute hindurch. Es war niemand zu sehen.
»Was tust du da?«
Ich drehte mich um. Rachel stand neben dem Bett und versuchte, sich mit dem winzigen hoteleigenen Handtuch zu bedecken.
»Ich dachte, ich hätte jemanden klopfen hören.«
»Wer war es?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht habe ich es mir nur eingebildet. Kann ich jetzt duschen?«
»Natürlich.«
Ich stieg aus meiner Hose, und gerade als ich an ihr vorbeiging, ließ sie das Handtuch fallen. Ich fand sie wunderschön. Ich trat vor sie hin, und wir hielten uns lang in den Armen.
»Bin gleich wieder da«, sagte ich schließlich. Dann ging ich unter die Dusche.
Rachel war bereits angezogen und wartete auf mich, als ich wieder herauskam. Ich schaute auf meine Uhr auf dem Nachttisch und stellte fest, dass es schon elf Uhr war. Mir wurde bewusst, dass ich nicht zu Abend gegessen hatte, aber ich war trotzdem nicht hungrig.
»Ich bin noch nicht müde«, sagte sie.
»Ich auch nicht.«
»Vielleicht sollten wir uns doch noch nach einem Lokal Umsehen, wo wir einen Drink bekommen.«
Nachdem ich mich ebenfalls angezogen hatte, verließen wir leise das Zimmer. Wir begegneten niemandem, weder auf dem Korridor noch im Foyer, und auch die Straße draußen machte einen menschenleeren und dunklen Eindruck. Wir gingen in Richtung Sunset Boulevard.
»Hast du deine Kanone bei dir?«, fragte ich, halb im Scherz, halb im Ernst.
»Immer. Außerdem sind unsere Leute in der Nähe. Sie haben wahrscheinlich gesehen, wie wir das Hotel verlassen haben.«
»Tatsächlich? Ich dachte, sie behielten nur Thomas im Auge.«
»Das tun sie auch. Aber wenn sie ihren Job richtig machen, wissen sie, wer sich sonst noch auf der Straße herumtreibt.«
Ich drehte mich um, ging ein paar Schritte zurück und schaute die Straße entlang zu der grünen Neonreklame des Mark Twain. Ich sah weder die Schatten noch die Silhouetten von irgendwelchen Aufpassern.
»Wie viele sind es?«
»Es sollten fünf sein. Zwei zu Fuß, zwei in parkenden Wagen. Einer mit dem Wagen unterwegs. Ständig.«
Ich schlug den Kragen meines Jacketts hoch. Hier draußen war es kälter, als ich erwartet hatte. Unser Atem kam in dünnen Wolken heraus, die sich miteinander vermischten und dann auflösten.
Auf dem Sunset Boulevard schaute ich in beide Richtungen und entdeckte schließlich einen Block weiter westlich über einem Torbogen ein Neonschild, auf dem CAT & FIDDLE BAR stand. Ich deutete in diese Richtung. Wir schwiegen, bis wir dort angekommen waren.
Durch einen Torbogen gelangten wir in einen Garten mit mehreren Tischen unter grünen Segeltuchschirmen, aber sie wa ren alle leer. Wir betraten das Lokal und ließen uns in einer leeren Nische dem Dartboard gegenüber nieder. Es war ein Pub im englischen Stil. Als die Kellnerin kam, bestellte ich einen Black and Tan, und Rachel tat es mir nach.
Wir schauten uns in dem Lokal um und redeten über dies und das, bis unsere Drinks kamen. Wir stießen an und tranken. Ich beobachtete sie. Ich hatte nicht den Eindruck, dass sie schon einmal einen Black and Tan getrunken hatte.
»Das Harp ist schwerer. Es bleibt immer auf dem Grund des Glases, und das Guinness obenauf.«
Sie lächelte.
»Als du Black and Tan sagtest, dachte ich, das sei eine Marke, die du kennst. Aber es ist gut. Es schmeckt mir, aber es ist sehr stark.«
»Die Iren verstehen sich wirklich auf das Brauen von Bier. Das müssen selbst die Engländer ihnen zugestehen.«
»Zwei von der Sorte, und ich muss Unterstützung für den Rückweg anfordern.«
»Das bezweifle ich.«
Wir verfielen in behagliches Schweigen. Im Kamin an der Rückwand loderte ein Feuer, und seine Wärme breitete sich durch den ganzen Raum aus.
»Ist dein eigentlicher Name John?«
Ich nickte.
»Ich bin keine Irin, aber ich dachte immer, Sean sei die irische Form von John.«
»Stimmt, es ist die gälische Version. Da wir Zwillinge waren, beschlossen meine Eltern ..., das heißt, in erster Linie meine Mutter ...«
»Ich finde es hübsch.«
Nach ein paar weiteren Schlucken dachte ich, dass es an der Zeit sei, ihr noch einige Fragen zu dem Fall zu stellen.
»Erzähl mir von Gladden.«
»Da gibt es nicht viel zu
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