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Jack McEvoy 01 - Der Poet

Jack McEvoy 01 - Der Poet

Titel: Jack McEvoy 01 - Der Poet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Vielleicht war es ein harmloser Passant. Vielleicht der Poet. Ich war im Fernsehen gewesen. Der Poet sah fern. Der Poet hatte seine Wahl getroffen. Der dunkle Eingang lag auf dem Weg zwischen mir und dem Wilcox Hotel. Ich konnte nicht umkehren. Ich überquerte rasch die Straße, um zu dem Pub zu gelangen.
    Dort bestellte ich einen weiteren Black and Tan und eine Portion Hähnchenflügel und ließ mir sagen, wo ich den Zigarettenautomaten finden konnte. Ich bemerkte, wie meine Hände zitterten, als ich ein Streichholz anriss. Und wie geht es jetzt weiter?, dachte ich. Ich stieß eine blaue Rauchwolke aus und sah zu, wie sie meinem Abbild im Spiegel hinter der Bar entgegenschwebte.
    Ich verließ das Cat & Fiddle um zwei Uhr zusammen mit den letzten Gästen, weil ich zu dem Schluss gelangt war, dass ich in einer Gruppe sicher war. Ich hielt mich hinter ihnen, folgte ihnen mit ein paar Metern Abstand. Wir passierten den unheimlichen Ladeneingang. Ich konnte von der anderen Straßenseite nicht feststellen, ob dort jemand stand. An der Wilcox löste ich mich von meiner Eskorte, überquerte den Sunset Boulevard und ging auf das Hotel zu. Ich atmete erst wieder normal, als ich das Foyer erreicht hatte und das vertraute Gesicht des Nachtportiers sah.
    Trotz der späten Stunde und des schweren Biers beraubte mich die Angst, die ich in mir hatte aufkommen lassen, jeder Müdigkeit. Ich konnte nicht schlafen. Ich zog mich aus, legte mich ins Bett und schaltete das Licht aus, aber ich wusste, dass es sinnlos war. Nach zehn Minuten schaltete ich das Licht wieder ein.
    Ich brauchte eine Ablenkung. Irgendetwas, das meine Gedanken zur Ruhe brachte und mich schlafen ließ. Ich tat, was ich schon unzählige Male unter ähnlichen Umständen getan hatte. Ich holte meinen Laptop aufs Bett, schaltete ihn ein, verband das Modem mit dem Telefonanschluss im Zimmer und klinkte mich in das Netz der Rocky ein. Es waren keine Botschaften für mich eingegangen, und ich hatte auch keine erwartet, aber schon die erforderlichen Handgriffe begannen mich zu beruhigen. Ich surfte ein wenig herum und stieß im nationalen Netz von AP auf meine eigene Story, in verkürzter Form. Sie würde am nächsten Morgen überall landen und wie eine Bombe explodieren. Redakteure von New York bis hierher nach Los Angeles würden meinen Namen als Verfasser zur Kenntnis nehmen.
    Das hoffte ich jedenfalls.
    Nachdem ich mich wieder ausgeklinkt hatte, spielte ich ein paar Runden Computer-Solitaire, aber das wurde rasch langweilig, weil ich immer verlor. Auf der Suche nach etwas anderem, mit dem ich mich ablenken konnte, griff ich in meine Computertasche, um die Quittungen aus Phoenix herauszuholen, aber ich konnte sie nicht finden. Ich durchsuchte sämtliche Fächer der Tasche, aber sie waren nicht da. Ich griff nach dem Kopfkissenbezug und durchsuchte ihn wie einen Verdächtigen, aber er enthielt nur Kleidungsstücke.
    »Scheiße«, sagte ich laut.
    Ich schloss die Augen und versuchte, mich zu erinnern, was ich im Flugzeug mit den Quittungen getan hatte. Panik stieg in mir hoch, als ich an die Sitztasche dachte. Aber dann fiel mir wieder ein, dass ich die Unterlagen wieder herausgeholt hatte, nachdem ich mit Warren gesprochen hatte. Ich war ganz sicher, dass ich sie nicht im Flugzeug gelassen hatte. Die Alternative war, das wusste ich, dass jemand in meinem Zimmer gewesen war und sie an sich genommen hatte. Ich hatte keine Ahnung, was ich dagegen unternehmen konnte. Mir war etwas gestohlen worden, das man selbst als Diebesgut bezeichnen könnte. Bei wem konnte ich mich darüber beschweren?
    Wütend öffnete ich die Tür und ging den Korridor entlang zur Rezeption. Der Nachtportier betrachtete eine Zeitschrift, die High Society hieß und auf deren Titelbild eine nackte Frau ihre Arme und Hände geschickt dazu benutzte, um so viel von ihrem Körper zu verdecken, dass die Zeitschrift offen verkauft werden konnte.
    »Haben Sie jemanden gesehen, der zu meinem Zimmer gegangen ist?«
    Er zog die Schultern hoch und schüttelte den Kopf.
    »Wirklich nicht?«
    »Die Einzigen, die ich gesehen habe, waren die Lady, die mit Ihnen zusammen war, und Sie. Das war’s.«
    Ich sah ihn an, wartete auf mehr, aber er hatte seinen Text aufgesagt.
    »Danke.«
    Ich kehrte zu meinem Zimmer zurück, doch bevor ich hineinging, untersuchte ich das Schlüsselloch auf Spuren eines Dietrichs. Es ließ sich nichts feststellen. Das Schlüsselloch war abgenutzt und zerkratzt, aber das konnte schließlich

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