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Jack McEvoy 01 - Der Poet

Jack McEvoy 01 - Der Poet

Titel: Jack McEvoy 01 - Der Poet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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jemals für ein Hotelzimmer ausgegeben hatte.
    Vom Balkon aus konnte man den Marlboro-Mann und die anderen Reklametafeln auf dem Strip sehen. Das gefiel mir. Ra chel machte sich gar nicht erst die Mühe, ein eigenes Zimmer zu nehmen.
    Während des Abendessens redeten wir nicht viel. Es herrschte jenes behagliche Schweigen, wie es oft zwischen lange verheirateten Paaren herrschen kann. Hinterher nahm ich ein langes Bad und hörte mir dabei den CNN-Bericht über die Schießerei in Data Imaging Answers an. Er ergab nichts Neues. Mehr Fragen als Antworten. Ein großer Teil der Pressekonferenz drehte sich um Thorson und darum, welches Opfer er gebracht hatte. Zum ersten Mal fragte ich mich, wie Rachel damit fertig wurde. Sie hatte ihren Ex-Mann verloren. Einen Mann, den sie verachtete, dennoch jemanden, mit dem sie einmal ein intimes Verhältnis gehabt hatte.
    Ich verließ das Badezimmer im Frottee-Bademantel des Hotels. Rachel lag auf dem Bett, von Kissen gestützt, und sah immer noch fern.
    »Gleich fangen die Lokalnachrichten an«, sagte sie. Ich kroch über das Bett und küsste sie.
    »Alles in Ordnung?«
    »Ja. Warum?«
    »Nur so. Äh, das mit Thorson - es tut mir Leid. Okay?«
    »Mir auch.«
    »Ich fragte mich gerade, ob - möchtest du mit mir Liebe machen?«
    »Ja.«
    Ich schaltete den Fernseher und die Lampen aus. Eine Weile später schmeckte ich im Dunkeln Tränen auf ihren Wangen, und sie hielt mich fester in den Armen als je zuvor. Es war ein bittersüßes Beisammensein. Als hätten sich die Wege von zwei traurigen, einsamen Menschen gekreuzt und sie wären übereingekommen, einander zu helfen. Hinterher kuschelte sie sich an meinen Rücken, und ich versuchte zu schlafen. Es ging aber nicht. Die Dämonen des Tages in mir waren nach wie vor hellwach.
    »Jack?«, flüsterte sie. »Warum hast du geweint?«
    Ich schwieg eine Weile, versuchte die richtigen Worte zu finden.
    »Ich weiß es nicht«, sagte ich schließlich. »Es ist schwer zu erklären. Ich glaube, ich habe die ganze Zeit irgendwie gehofft, dass sich mir eine Chance bieten würde, ihn ... Sei froh, dass du noch nie getan hast, was ich heute getan habe. Sei wirklich froh.«
    Auch später wollte der Schlaf nicht kommen, obwohl ich eine der Tabletten genommen hatte. Auch Rachel war wach. Sie fragte mich, was ich dachte.
    »Ich denke über die Worte nach, die er zuletzt an mich richtete. Ich konnte nicht verstehen, was er meinte. Er sagte, er habe Sean getötet, um ihn zu retten.«
    »Wovor?«
    »So zu werden wie er. Das verstehe ich nicht.«
    »Vermutlich werden wir es nie verstehen. Du solltest versuchen, es zu vergessen. Es ist vorbei. Sein allerletzter Satz lautete: >So ist das also<. Diese Erkenntnis ist vermutlich wichtiger.«
    »Was bedeutet der Satz denn deiner Meinung nach?«
    »Ich glaube, er hatte das Mysterium begriffen.«
    »Den Tod.«
    »Er sah ihn kommen. Er sah die Antworten. Er sagte: >So ist das also<. Und dann starb er.«
45
    Am nächsten Morgen wartete Backus bereits in dem Konferenzzimmer im siebzehnten Stock des Bundesgebäudes auf uns. Es war abermals ein klarer Tag, und ich sah die Spitze von Catalina Island aus dem Morgendunst über der Santa Monica Bay herausragen. Es war erst halb neun, aber Backus sah aus, als sei er bereits seit mehreren Stunden bei der Arbeit.
    Sein Platz an dem Konferenztisch war mit einem Haufen Papiere, zwei offenen Laptops und einem Stapel Anrufnotizen übersät. Backus selbst wirkte mitgenommen und traurig.
    »Hallo, Rachel, hallo, Jack«, sagte er zur Begrüßung. Es war kein guter Morgen, und deshalb sagte er es wohl auch nicht. »Was macht die Hand?«
    »Es geht.«
    Wir hatten uns Kaffee mitgebracht, aber ich stellte fest, dass er keinen hatte. Ich bot ihm meinen an, doch er lehnte ab.
    »Was liegt an?«, fragte Rachel.
    »Seid ihr aus dem Wilcox ausgezogen? Ich habe heute Morgen versucht, Sie zu erreichen, Rachel.«
    »Ja«, sagte sie. »Jack wollte es ein bisschen komfortabler haben. Wir haben im Chateau Marmont übernachtet.«
    »Mächtig komfortabel.«
    »Keine Sorge, ich werde die Rechnung nicht zur Erstattung einreichen.«
    Er nickte, und die Art, wie er sie ansah, ließ mich vermuten, dass er Bescheid wusste.
    »Langsam fügt sich alles zusammen«, sagte er. »Wieder ein Fall fürs Lehrbuch. Diese Menschen - wenn man sie überhaupt so nennen kann - verblüffen mich immer wieder.«
    Rachel rückte sich einen Stuhl zurecht und ließ sich ihm gegenüber nieder. Ich setzte mich neben sie. Wir sagten

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