Jack McEvoy 01 - Der Poet
nichts. Wir wussten, dass er weitersprechen wollte. Er tippte mit einem Stift an einen der Laptops.
»Das war seiner«, sagte er. »Wir haben ihn gestern Abend im Kofferraum seines Wagens gefunden.«
»Ein Hertz-Wagen?«, fragte ich.
»Nein. Er hat für die Fahrt zu Data Imaging einen 84er Plymouth benutzt, zugelassen auf eine gewisse Darlene Kugel, sechsunddreißig, wohnhaft in North Hollywood. Wir sind gleich gestern Abend zu ihrer Wohnung gefahren. Da sich niemand rührte, haben wir die Tür aufgebrochen. Sie lag im Bett,
mit durchschnittener Kehle. Vermutlich dasselbe Messer wie bei Gordon. Sie ist bereits seit Tagen tot. Er hat Räucherstäbchen verbrannt und jede Menge Parfum verschüttet, um den Geruch zu übertünchen.«
»Er hat sich zusammen mit der Leiche in der Wohnung aufgehalten?«, fragte Rachel ungläubig.
»Es sieht so aus.«
»Waren das ihre Kleider, die er getragen hat?«, fragte ich.
»Und ihre Perücke.«
»Wieso hat er sich denn als Frau verkleidet?«, fragte Rachel.
»Das wissen wir nicht und werden es wohl auch nie erfahren. Ich vermute, er wusste, dass er gesucht wurde. Von der Polizei. Vom FBI. Vielleicht hoffte er, auf diese Weise unerkannt die Kamera abholen und dann aus der Stadt verschwinden zu können.«
»Vermutlich. Was haben Sie in ihrer Wohnung gefunden?«
»Nicht viel von Bedeutung, aber zu der Wohnung gehören zwei Parkplätze in der Garage, und auf einem von ihnen stand ein 86er Pontiac Firebird. Mit Florida-Kennzeichen. Er ist auf eine gewisse Gladys Oliveros in Gainesville zugelassen.«
»Seine Mutter?«, fragte ich.
»Ja. Sie ist dorthin gezogen, als er ins Gefängnis kam, wahrscheinlich, damit sie in seiner Nähe war. Hat wieder geheiratet und den Namen gewechselt. Wie dem auch sei, wir haben den Kofferraum des Pontiac geöffnet und darin den Computer und ein paar andere Dinge gefunden, darunter auch das Buch, das Brass auf dem Foto entdeckt hat. Und ein alter Schlafsack lag darin. Er war blutverschmiert und ist jetzt im Labor. Dem ersten Bericht zufolge enthält die Isolierung Kapok.«
»Das bedeutet, dass er einige seiner Opfer in den Kofferraum gelegt hat«, sagte ich.
»Und das erklärt auch, warum sie stundenlang vermisst wurden«, setzte Rachel hinzu.
»Einen Moment«, sagte ich. »Wenn er den Wagen seiner Mutter fuhr, was ist dann mit dem Wagen von Hertz in Phoenix? Warum sollte er einen Wagen mieten, wenn er doch einen hat?«
»Eine Methode von vielen, seine Spur zu verwischen, Jack. Er fährt mit dem von seiner Mutter von Stadt zu Stadt, mietet aber jeweils einen, wenn er losfährt, um einen Polizisten zu ermorden.«
Mir war bestimmt anzusehen, wie sehr mich die Logik dieser Theorie verwirrte. Aber Backus reagierte nicht.
»Wie dem auch sei, bisher haben wir die Hertz-Unterlagen noch nicht, also brauchen wir uns noch keine Gedanken darüber zu machen. Im Moment ist der Computer wichtiger.«
»Was steckt darin?«, fragte Rachel.
»Das hiesige Office hat eine Computer-Abteilung, die eng mit Quantico zusammenarbeitet. Einer der Agenten, Don Clearmountain, hat sich das Ding noch gestern Abend vorgenommen, und gegen drei Uhr heute Morgen gelang es ihm, den Code zu knacken. Er hat die Festplatte auf unseren Zentralcomputer hier kopiert. Lauter Fotos. Siebenundfünfzig insgesamt.«
Backus rieb sich mit Daumen und Zeigefinger den Nasenrücken. Er schien gealtert, seit ich ihn zuletzt gesehen hatte.
»Kinder?«, fragte Rachel.
Backus nickte.
»Großer Gott. Die Opfer?«
»Ja ... davor und danach. Ein grauenhaftes Zeug. Einfach grauenhaft.«
»Und die hat er irgendwohin übermittelt? Wie wir vermutet haben?«
»Genau. Zu dem Computer gehört ein C-Modem, wie Gordon ... wie er vermutete. Es ist ebenfalls auf Oliveros in Gainesville zugelassen. Wir haben die Unterlagen soeben bekommen.«
Er deutete auf einige der vor ihm liegenden Papiere.
»Es sind eine Unmenge Anrufe verzeichnet«, sagte er. »Aus allen Teilen des Landes. Er gehörte zu irgendeinem Netz, dessen User an dieser Art von Fotos interessiert waren.«
Er sah uns gleichermaßen angewidert und herausfordernd an.
»Wir spüren jetzt allen nach. Wir werden eine Menge Verhaftungen vornehmen. Sehr viele Leute werden für das hier bezahlen. Gordon ist nicht umsonst gestorben.«
Er nickte, mehr zu seiner eigenen Bestätigung.
»Wir können die Übertragungen und die User mit den Kontoauszügen vergleichen, die ich in Jacksonville gefunden habe«, sagte Rachel. »Dadurch lässt sich bestimmt
Weitere Kostenlose Bücher