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Jack McEvoy 01 - Der Poet

Jack McEvoy 01 - Der Poet

Titel: Jack McEvoy 01 - Der Poet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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war eine unwirkliche Szene. Leute rannten in dem Laden herum, brüllten, beugten sich über den Toten und den Sterbenden. Meine Ohren dröhnten. Meine Hand pochte. Alles schien in Zeitlupe abzulaufen. Und dann tauchte Rachel auf, kam über das Glas wie ein Schutzengel, um mich davonzugeleiten. Sie bückte sich, ergriff meine unverletzte Hand und drückte sie. Ihre Berührung war wie ein elektrischer Schlag, der mich ins Bewusstsein zurückholte. Plötzlich begriff ich, was passiert war. Was ich getan hatte. Die Freude darüber, dass ich noch am Leben war, überwältigte mich. Gedanken an Gerechtigkeit und Rache waren weit weg.
    Ich sah zu Thorson hinüber. Die Sanitäterinnen gaben sich alle Mühe - eine saß rittlings auf ihm, setzte ihr ganzes Gewicht bei der Herzmassage ein, eine zweite hielt ihm eine Sauerstoffmaske vors Gesicht. Eine dritte packte seinen leblosen Körper in einen Druckanzug. Backus kniete neben seinem Agenten, hielt seine Hand, rieb sein Handgelenk und rief immer wieder: »Atme, verdammt noch mal, atme! Los, Gordo, atme!«
    Aber es sollte nicht sein. Sie konnten ihn nicht von den Toten zurückholen. Alle wussten es, aber niemand wollte es wahrhaben. Selbst als er auf der Tragbahre nach draußen gerollt wurde, bemühten sich die Sanitäterinnen noch, ihn wiederzubeleben.
    Rachel beobachtete die Prozession mit nicht traurigem, aber mit abwesendem Blick.
    Ich sah zu Gladden hinüber. Er trug jetzt Handschellen, und um ihn hatte sich noch niemand gekümmert. Sie ließen ihn sterben. Sämtliche Gedanken daran, was sie von ihm vielleicht hätten erfahren können, waren auf einen Schlag nebensächlich geworden, weil er Thorson das Messer in die Kehle gestochen hatte. Ich glaubte, dass er bereits tot war. Seine Augen starrten leer zur Decke empor. Doch plötzlich bewegte sich sein Mund. Ich verstand nicht, was er sagte. Er richtete seine Augen auf Rachel. Ihre Blicke trafen sich. Vielleicht erinnerte er sich an sie. Dann ließ er seine Augen langsam auf mich schweifen. Wir schauten uns an, und sein Leben erlosch.
    Ich wurde mit einem Krankenwagen in ein Krankenhaus gebracht, das Cedars-Sinai hieß. Als ich ankam, waren Thorson und Gladden bereits eingetroffen und ihr Tod bestätigt worden. In der Notaufnahme untersuchte ein Arzt meine Hand, reinigte die Wunde und nähte sie dann zu. Er strich eine Salbe auf die Brandstellen und wickelte zum Schluss einen Verband um die ganze Hand.
    »Die Verbrennungen sind geringfügig«, sagte er währenddessen. »Darüber brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Aber die Verletzung dürfte Ihnen zu schaffen machen. Es war zwar ein glatter Durchschuss, und es sind keine Knochen verletzt. Aber die Kugel hat eine Sehne völlig durchtrennt, und deshalb kann die Daumenbewegung eingeschränkt bleiben, wenn Sie nichts dagegen unternehmen. Ich kann Sie mit einem Spezialisten bekannt machen, der die Sehne wieder annähen oder Ihnen zumindest eine neue einsetzen kann. Durch die Operation und entsprechende Reha-Übungen sollte die Sache eigentlich wieder in Ordnung kommen.«
    »Was ist mit Tippen?«
    »In der nächsten Zeit nicht.«
    »Nein, ich meine als Training.«
    »Nun, vielleicht. Danach müssen Sie Ihren Arzt fragen.«
    Er klopfte mir auf die Schulter und verließ das Zimmer. Ich saß zehn Minuten lang allein auf dem Untersuchungstisch, bevor Rachel und Backus hereinkamen. Backus sah völlig erledigt aus, wie ein Mann, dessen sämtliche Pläne gescheitert sind.
    »Wie geht es Ihnen, Jack?«, fragte er.
    »Wird schon wieder. Das mit Agent Thorson tut mir sehr leid. Es war ...«
    »Ich weiß. Manchmal...«
    Er verstummte. Ich sah Rachel an. Unsere Blicke trafen sich.
    »Sind Sie sicher, dass es Ihnen gut geht?«
    »Ja. Ich werde meine Hand eine Weile nicht gebrauchen können, aber ... Ich habe wirklich Glück gehabt. Was ist mit Coombs?«
    »Er steht noch unter Schock, aber sonst ist ihm nichts passiert.«
    Ich warf Backus einen unsicheren Blick zu.
    »Bob, ich hätte nichts tun können. Irgendwie ist die Geschichte entgleist. Weshalb hat Thorson sich nicht an den Plan gehalten? Warum hat er ihm nicht einfach die Kamera gegeben, anstatt nach seiner Waffe zu greifen?«
    »Weil er der Held sein wollte«, sagte Rachel. »Er wollte ihn verhaften. Oder töten.«
    »Rachel, das wissen wir nicht«, sagte Backus. »Und wir werden es auch nie erfahren. Aber eine Frage kann mit Sicherheit beantwortet werden: Warum sind Sie überhaupt in den Laden gegangen Jack? Warum?«
    Ich schaute

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