Jack McEvoy 01 - Der Poet
berichtet alle zehn Minuten live vom Ort des Geschehens, aber sie haben nichts zu bieten. Angeblich soll im Krankenhaus eine Pressekonferenz stattfinden.«
»Stimmt. Und wenn Sie mich jetzt mit jemandem verbinden, der meinen Text überarbeiten kann, dann liefere ich Ihnen genügend Material für die Titelseite. Es wird besser sein als alles, was die anderen präsentiert bekommen.«
Er schwieg. »Greg?«
»Einen Moment, Jack, ich muss nachdenken. Sie ...«
Er beendete seinen Satz nicht, aber ich wartete.
»Jack, ich gebe Ihnen Jackson. Erzählen Sie ihm, was Sie zu sagen haben. Er wird sich auch Notizen über die Pressekonferenz machen, wenn CNN sie bringt.«
»Einen Moment. Ich möchte Jackson gar nichts erzählen. Verbinden Sie mich einfach mit jemandem, dem ich meine Story diktieren kann. Sie wird besser sein als alles, was bei der Pressekonferenz herauskommt.«
»Nein, Jack, das geht nicht mehr. Die Situation hat sich geändert.«
»Wovon reden Sie?«
»Sie können nicht mehr darüber schreiben. Sie gehören jetzt selbst zu der Story. Sie haben den Mann erschossen, der Ihren Bruder umgebracht hat. Sie haben den Poeten erschossen. Jetzt geht es in der Story um Sie. Ich verbinde Sie mit Jackson. Aber tun Sie mir einen Gefallen, halten Sie sich von den anderen Reportern da draußen fern. Geben Sie uns für mindestens einen Tag die Exklusivrechte.«
»Hören Sie, ich war von Anfang an ein Teil der Story!«
»Ja, aber da hatten Sie zumindest noch niemanden erschossen, Jack! So etwas tun Reporter normalerweise nicht. Sie sind aus der Story raus. Tut mir Leid.«
»Es ging um Leben und Tod, Greg.«
»Daran zweifle ich nicht, und Gott sei Dank leben Sie noch. Aber das ändert nichts an der Sachlage, Jack.« Ich sagte nichts mehr. Im Grunde wusste ich, dass er Recht hatte. Ich konnte es nur einfach nicht glauben. Es war meine Geschichte gewesen, und jetzt war ich sie los. Gleichzeitig drinnen und draußen.
Gerade als Rachel mit einem Klemmbrett und mehreren Formularen zum Unterschreiben ins Zimmer zurückkehrte, kam Jackson an den Apparat. Er rief euphorisch, was für eine großartige Story das werden würde, und fing an, mir Fragen zu stellen. Ich beantwortete alle und erzählte ihm auch ein paar Dinge, nach denen er nicht gefragt hatte. Währenddessen unterschrieb ich an den Stellen, auf die Rachel zeigte.
Das Interview dauerte nicht lange. Jackson sagte, er wolle sich die Pressekonferenz ansehen, damit er meine Version der Ereignisse mit offiziellen Kommentaren und Bemerkungen ergänzen konnte. Er bat mich, in einer Stunde noch einmal anzurufen, für den Fall, dass er noch Fragen hatte, und ich erklärte mich dazu bereit. Dann legten wir auf, und ich war froh, dass das Gespräch beendet war.
»So. Da du jetzt mit deinen Unterschriften auf dein Leben und deinen erstgeborenen Sohn verzichtet hast, kannst du das Krankenhaus verlassen«, sagte Rachel. »Bist du sicher, dass du die Formulare nicht lesen möchtest?«
»Ja. Lass uns von hier verschwinden. Hast du die Schmerztabletten? Meine Hand tut langsam wieder weh.«
»Hier sind sie.«
Sie zog ein Röhrchen aus der Jackentasche und händigte es mir aus, zusammen mit einem Packen rosafarbener Zettel, die offenbar von der Rezeption des Krankenhauses stammten.
»Was ist...«
Es handelte sich um Anrufnotizen von den drei Presseagenturen, von >Nightline< mit Ted Koppel, von zwei Morgen-Shows und von Reportern der New York Times und der Washington Post.
»Du bist eine Berühmtheit, Jack«, sagte Rachel. »Du hast dem Teufel von Angesicht zu Angesicht gegenübergestanden, und du hast überlebt. Die Leute wollen dich fragen, was für ein Gefühl das war. Die Leute wollen immer alles über den Teufel wissen.«
Ich stopfte die Zettel in meine Hosentasche.
»Willst du sie anrufen?«
»Nein. Lass uns gehen.«
Auf der Rückfahrt nach Hollywood tat ich Rachel kund, dass ich die Nacht nicht im Wilcox Hotel verbringen wollte. Ich wollte beim Zimmerservice etwas zu essen bestellen und dann in einem bequemen Bett liegen und durch die Fernsehkanäle zappen, Annehmlichkeiten, die das Wilcox nicht zu bieten hatte.
Das leuchtete ihr ein.
Nachdem wir dort meine Sachen geholt und bezahlt hatten, fuhr Rachel den Sunset Boulevard in Richtung Strip entlang und hielt vor dem Chateau Marmont. Ich ging allein zur Rezeption. Ich sagte, ich wolle ein Zimmer mit einer schönen Aussicht, der Preis spiele keine Rolle. Sie gaben mir ein Zimmer mit Balkon, das mehr kostete, als ich
Weitere Kostenlose Bücher