Jack McEvoy 01 - Der Poet
meine Zeit zu verschwenden. Wie war noch Ihr Name?«
»Jack McEvoy.«
Jetzt stand er auf, und ich stellte fest, dass er kleiner war, als ich angenommen hatte. Kurze, stämmige Beine unter einem breiten und kräftigen Rumpf. Daher wohl der Name, den der Cop am Tresen benutzt hatte: Larry Legs.
Ich setzte die Tasche mit dem Laptop ab und streckte ihm die Hand entgegen, aber Washington ergriff sie nicht.
»Lassen Sie uns dort drüben in das Zimmer gehen.«
»Gern.«
Ich ging hinter ihm her auf die Tür des Raumes zu, in dem der Mann und die Frau ihren Lunch verzehrten. Er drehte sich einmal kurz um und warf einen Blick auf meine Tasche.
»Was haben Sie da drin?«
»Einen Computer. Ich habe darauf ein paar Informationen gespeichert, die ich Ihnen zeigen möchte, falls es Sie interessiert.«
Er öffnete die Tür, und der Mann und die Frau schauten auf.
»Tut mir Leid, Leute, das Picknick ist vorbei«, sagte Washington.
»Können Sie uns nicht noch zehn Minuten Zeit lassen, Legs?«, fragte der Mann, bevor er aufstand.
»Geht nicht. Ich habe einen Kunden.«
Die beiden wickelten das, was von ihren Sandwiches noch übrig war, wieder ein, und verließen das Zimmer ohne ein weiteres Wort. Der Mann warf mir einen verärgerten Blick zu. Es kümmerte mich nicht. Washington winkte mich herein, und ich stellte die Tasche mit meinem Computer auf den Tisch. Wir setzten uns. Es roch nach schalem Rauch und italienischem Salatdressing.
»Also, was kann ich für Sie tun?«, fragte Washington.
Ich versuchte, mich zu konzentrieren und gelassen zu wirken. Mir war nie sonderlich behaglich zumute, wenn ich es mit Cops zu tun hatte, obwohl ihre Welt mich faszinierte. Ich hatte immer das Gefühl, dass sie mich irgendwie beargwöhnten, irgendeinen verräterischen Makel an mir entdeckten.
»Ich weiß nicht recht, wie ich anfangen soll. Ich komme aus Denver. Ich bin Reporter, und ich bin auf etwas gestoßen, das mich ...«
»Einen Moment. Sie sind Reporter? Was für eine Art von Reporter?«
Unter der dunklen Haut seines linken Oberkiefers begann es leicht zu pulsieren. Ich war darauf vorbereitet.
»Zeitungsreporter. Ich arbeite für die Rocky Mountain News. Bitte, hören Sie sich erst an, was ich zu sagen habe, dann können Sie mich meinetwegen hinauswerfen. Aber ich glaube nicht, dass Sie es tun werden.«
»Mann, ich habe von Kerlen wie Ihnen so ziemlich jeden Quatsch in der Welt gehört. Dafür habe ich keine Zeit. Ich habe ...«
»Was ist, wenn John Brooks ermordet wurde?«
Ich suchte in seinem Gesicht nach irgendeinem Anzeichen dafür, dass er das ohnehin bereits glaubte. Er ließ sich jedoch nichts anmerken.
»Ihr Partner«, sagte ich. »Ich vermute, dass er ermordet wurde.«
Washington schüttelte den Kopf.
»Wollen Sie mir Märchen erzählen? Von wem denn? Wer hat ihn ermordet?«
»Dieselbe Person, die auch meinen Bruder umgebracht hat.« Ich schwieg für einen Moment, um sicherzugehen, dass ich seine ungeteilte Aufmerksamkeit hatte. »Er war Cop bei der Mordkommission. Er hat in Denver gearbeitet und wurde vor einem Monat ermordet. Auch seine Kollegen glaubten anfangs, er hätte Selbstmord begangen. Ich habe mich mit der Sache beschäftigt und bin deshalb hier gelandet. Ich bin Reporter, aber darum geht es nicht. Es geht um meinen Bruder. Und um Ihren Partner.«
Washington zog seine Brauen zu einem dunklen V zusammen und starrte mich lange an. Ich wartete geduldig. Er stand an der Klippe. Entweder würde er hinunterspringen - oder mich hinauswerfen. Schließlich hörte er auf, mich anzustarren, und lehnte sich zurück. Er holte aus der Innentasche seines Jacketts eine Schachtel Zigaretten, zündete sich eine an und zog einen stählernen Abfalleimer näher. Beim Ausatmen neigte er den Kopf zur Seite, sodass der blaue Qualm hochstieg und unter der Decke schwebte. Dann beugte er sich über den Tisch. »Ich weiß nicht einmal, ob Sie irgendein Spinner sind oder nicht. Zeigen Sie mir einen Ausweis.«
Wir balancierten über die Klippe. Ich gab ihm meinen Führerschein, meinen Presseausweis und den Pass, der mir bei der Polizei von Denver Zugang gewährte. Er betrachtete alles ganz genau, aber ich wusste, dass er bereits beschlossen hatte, sich meine Geschichte anzuhören. Etwas am Tod von Brooks schien Washington zu drängen, sich eine Geschichte von einem Reporter anzuhören, den er nicht einmal kannte.
»Okay«, sagte er und gab mir meine Papiere zurück. »Sie sind also in Ordnung. Aber das bedeutet immer noch
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