Jack Reacher 01: Größenwahn
beugte sich vor und schlug auf den Knopf der Gegensprechanlage auf dem Schreibtisch. In der Stille hörte ich schwach, wie der Summer draußen im Mannschaftsbüro ertönte.
»Baker?« sagte Teale. »Hierher bitte.«
Kliner löste sich von der Tür, und Baker kam herein. Er trug seine Uniform. Mit einer 38er im Halfter. Er sah mich an. Grinste nicht. Er hatte zwei Kassetten bei sich, Teale nahm sie ihm ab. Entschied sich für die zweite,
»Eine Aufnahme«, sagte er, »Hören Sie gut zu. Sie werden das sicher interessant finden.«
Er fummelte die Kassette hinein und schloß klickend den Deckel des Apparats. Drückte auf Start. Der Motor surrte, und der Lautsprecher rauschte. Unter dem Rauschen konnte ich einen dröhnenden Widerhall hören. Dann hörten wir Roscoes Stimme. Sie war vor Panik schrill. Sie erfüllte das stille Büro.
»Reacher?« sagte Roscoes Stimme. »Dies ist eine Nachricht für dich, okay? Die Nachricht lautet, daß du besser tust, was man dir sagt, sonst bekomme ich Schwierigkeiten. Die Nachricht lautet, wenn du irgendwelche Zweifel hast, welche Art von Schwierigkeiten, dann sollst du zurück zum Leichenschauhaus gehen und dir Mrs. Morrisons Autopsiebericht vornehmen. Diese Art Schwierigkeiten werde ich kriegen. Also hilf mir, okay? Ende der Nachricht, Reacher.«
Ihre Stimme erstarb in dem Dröhnen und Rauschen. Ich hörte ein schwaches Keuchen, als wäre sie rüde vom Mikrophon weggerissen worden. Dann schaltete Teale den Recorder aus. Ich starrte ihn an. Meine Temperatur war auf den Nullpunkt gefallen. Ich fühlte mich nicht mehr wie ein menschliches Wesen.
Picard und Baker sahen mich an. Strahlten voller Zufriedenheit. Als hielten sie das siegreiche As in Händen. Teale öffnete den Deckel des Recorders und nahm die Aufnahme heraus. Legte sie auf eine Seite des Schreibtischs. Hielt die andere Kassette in die Höhe, damit ich sie sehen konnte, und legte sie dann in den Apparat. Schloß den Deckel wieder und drückte auf Start.
»Und noch eine Nachricht. Hören Sie gut zu.«
Wir hörten dasselbe Rauschen. Denselben dröhnenden Widerhall. Dann hörten wir Charlie Hubbles Stimme. Sie klang hysterisch. Wie am Montag morgen auf ihrer sonnigen Kieseinfahrt.
»Hub?« sagte Charlies Stimme. »Hier ist Charlie. Ich habe die Kinder bei mir. Ich bin nicht zu Hause. Weißt du, was das heißt? Ich muß dir eine Nachricht übermitteln. Wenn du nicht zurückkommst, wird den Kindern etwas zustoßen. Sie haben mir gesagt, du wüßtest, was das wäre. Sie sagen, es sei dasselbe, das sonst dir und mir passiert wäre, nur daß es jetzt die Kinder sind. Also mußt du sofort zurückkommen, okay?«
Die Stimme endete in einem panischen Kiekser und erstarb dann im Dröhnen und Rauschen. Teale stach auf die Stoptaste. Nahm die Aufnahme heraus und legte sie sorgfältig an den Rand des Schreibtischs. Vor mich. Dann kam Kliner in mein Blickfeld und fing an zu reden.
»Sie werden das mitnehmen«, sagte er zu mir. »Sie werden es dorthin bringen, wo auch immer Sie Hubble versteckt haben, und es ihm Vorspielen.«
Finlay und ich blickten uns an. Starrten uns in blankem Erstaunen nur an. Dann wandte ich langsam den Kopf herum und starrte auf Kliner.
»Sie haben Hubble doch längst umgebracht.«
Kliner zögerte eine Sekunde.
»Versuchen Sie nicht diesen Scheiß mit mir. Wir wollten es, aber Sie haben ihn aus dem Weg geschafft. Sie haben ihn versteckt. Das hat Charlie uns erzählt.«
»Charlie hat das gesagt?«
»Wir haben sie gefragt, wo er ist«, sagte er. »Sie versprach uns, daß Sie ihn finden könnten. Sie war in diesem Punkt sehr nachdrücklich. In dem Moment hielten wir gerade ein Messer zwischen die Beine ihres kleinen Mädchens. Sie war sehr darauf bedacht, uns zu überzeugen, daß ihr Mann nicht unerreichbar für uns sei. Sie sagte, Sie hätten ihm alle möglichen Ratschläge gegeben. Sie behauptete, Sie hätten ihm geholfen. Sie könnten ihn finden. Ich hoffe für alle, daß sie nicht gelogen hat.«
»Sie haben ihn umgebracht«, sagte ich noch einmal. »Ich weiß nichts über sein Verschwinden.«
Kliner nickte und seufzte. Seine Stimme war leise.
»Hören wir doch mit dem Unsinn auf. Sie verstecken ihn, und wir wollen ihn zurückhaben. Wir wollen ihn sofort. Wir haben uns dringend um ein Geschäft zu kümmern. Also haben wir verschiedene Möglichkeiten. Wir könnten es aus Ihnen herausprügeln. Das haben wir in Erwägung gezogen. Es ist ein taktisches Problem, nicht wahr? Aber wir dachten, daß Sie uns
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