Jack Reacher 01: Größenwahn
lenken, waren gierige Drecksäcke, die tun würden, was man ihnen sagte.«
Er schwieg. Dachte an den Strom von Dollarnoten, der nach Süden und Osten floß. Wie die Kanalisierung des Wassers nach einer Überschwemmung. Eine kleine Flutwelle. Eine kleine, stark beanspruchte Belegschaft in Margrave hielt sie im Fluß. Die kleinste Schwierigkeit, und Zehntausende von Dollars würden sich stauen und alles verstopfen. Wie in einem Abwasserkanal. Genug Geld, um eine ganze Stadt darin zu ertränken. Er trommelte mit seinen Fingern auf das Lenkrad. Legte den Rest der Strecke schweigend zurück.
Wir parkten vor dem Eingang des Polizeireviers. Der Wagen spiegelte sich in den Glasplatten. Ein schwarzer Bentley, ein Oldtimer, der für sich genommen schon hundert Riesen wert war. Und weitere hundert Riesen lagen in seinem Kofferraum. Das wertvollste Fahrzeug im Staate Georgia. Ich ließ den Kofferraumdeckel aufspringen. Legte meine Jacke auf den schweren Karton. Wartete auf Finlay und ging zur Tür.
Das Gebäude war bis auf den Innendienstler menschenleer. Er nickte uns zu. Wir umrundeten die Empfangstheke. Gingen durch den großen, ruhigen Raum für die Mannschaft zum Rosenholzbüro im hinteren Teil. Traten ein und schlossen die Tür.
Finlay blickte unbehaglich um sich.
»Ich möchte wissen, wer der zehnte ist«, sagte er. »Es könnte jeder sein. Könnte der Innendienstler sein. Es waren schließlich schon vier Cops beteiligt.«
»Der nicht«, sagte ich. »Der macht doch nie irgendwas. Der parkt nur seinen fetten Arsch auf dem Hocker. Aber es könnte Stevenson sein. Er stand mit Hubble in Verbindung.«
Finlay schüttelte den Kopf.
»Nein«, sagte er. »Teale hat ihn bei seiner Amtsübernahme von der Straße abgezogen. Er wollte ihn dort haben, wo er ihn im Auge hatte. Also ist es nicht Stevenson. Ich schätze, es könnte jeder x-beliebige sein. Eno zum Beispiel. Oben im Diner. Das ist ein übellauniger Bursche.«
Ich blickte ihn an.
»Sie sind auch ein griesgrämiger Bursche, Finlay«, sagte ich. »Schlechte Laune hat noch niemanden zum Verbrecher werden lassen.«
Er zuckte die Schultern. Ignorierte meine Stichelei.
»Was unternehmen wir also?« fragte er.
»Wir warten auf Roscoe und Picard«, sagte ich. »Erst dann fangen wir an.«
Ich saß auf dem Rand des großen Rosenholzschreibtisches und ließ die Beine baumeln. Finlay tigerte über den teuren Teppich. Wir warteten etwa zwanzig Minuten, dann öffnete sich die Tür. Picard stand dort. Er war so groß, daß er den gesamten Türrahmen ausfüllte. Ich sah, wie Finlay ihn anstarrte, als stimme etwas nicht mit ihm. Ich folgte seinem Blick.
Zwei Dinge stimmten nicht mit Picard. Erstens hatte er Roscoe nicht bei sich. Und zweitens hielt er eine 38er Dienstwaffe in seiner riesigen Hand. Er hielt sie ganz ruhig und zielte auf Finlay.
KAPITEL 29
»Du?« keuchte Finlay.
Picard lächelte ihn kalt an.
»Und kein anderer«, sagte er. »Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite, glaub mir. Ihr wart sehr hilfreich, alle beide. Sehr entgegenkommend. Ihr habt mich über jeden Schritt auf dem laufenden gehalten. Ihr habt mir die Hubbles geliefert und Officer Roscoe. Ich hätte wirklich nicht mehr verlangen können.«
Finlay stand wie angewurzelt da. Er zitterte.
»Du?« sagte er wieder.
»Du hättest es schon am Mittwoch entdecken müssen, Arschloch«, sagte Picard. »Ich habe den kleinen Mann in Joes Hotel geschickt, zwei Stunden bevor ich es dir erzählte. Du hast mich enttäuscht. Ich hatte damit gerechnet, diese Szene schon früher zu spielen.«
Er blickte uns an und lächelte. Finlay wandte sich ab. Sah mich an. Mir fiel nichts ein, was ich ihm hätte sagen können. Mir fiel überhaupt nichts ein. Ich starrte nur Picards riesige Gestalt im Türrahmen an und hatte das dunkle Gefühl, daß dies der letzte Tag in meinem Leben sein würde. Heute würde es enden.
»Geh da rüber«, sagte Picard zu mir. »Zu Finlay.«
Er hatte mit zwei riesigen Schritten den Raum durchquert und zielte mit der Waffe direkt auf mich. Ich bemerkte mechanisch, daß es eine neue 38er mit kurzem Lauf war. Mir fuhr automatisch durch den Kopf, daß sie auf eine derart kurze Distanz ziemlich sicher traf. Aber daß man sich bei einer 38er nicht darauf verlassen konnte, daß das Ziel auch zu Boden ging. Und wir waren zu zweit. Und Finlay hatte unter seinem Tweedjackett eine Waffe im Schulterhalfter. Ich wog eine Sekunde lang die Chancen ab. Dann gab ich meine Absicht auf, da Bürgermeister
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