Jack Reacher 01: Größenwahn
Tastatur.
»Nein, Sir«, sagten alle. Einer nach dem anderen.
Ich lag auf dem Bett und balancierte das Telefon auf meiner Brust. Ich war mittlerweile bei Nummer dreizehn von den achtzehn auf meiner Liste.
»Wohnt bei Ihnen ein Mann namens Paul Lennon?« fragte ich.
Es gab eine Pause. Ich konnte hören, wie Seiten umgewendet wurden.
»Nein, Sir«, sagte der dreizehnte Angestellte.
»Okay.« Ich legte den Hörer auf.
Dann nahm ich ihn wieder und tippte die vierzehnte Nummer ein. Bekam ein Besetztzeichen. Also drückte ich die Gabel herunter und wählte die fünfzehnte Nummer.
»Wohnt bei Ihnen ein Mann namens Paul Lennon?« fragte ich.
Schweigen.
»Zimmer einhundertzwanzig«, sagte der fünfzehnte Angestellte schließlich.
»Danke«, sagte ich. Legte den Hörer auf.
Ich lag da. Schloß die Augen. Atmete tief aus. Ich stellte das Telefon zurück auf den Nachttisch und überprüfte den Stadtplan. Das fünfzehnte Hotel war drei Blocks entfernt. Nördlich der Hauptstraße. Ich ließ den Zimmerschlüssel auf dem Bett liegen und ging hinaus zum Wagen. Der Motor war noch warm. Ich war etwa fünfundzwanzig Minuten im Hotel gewesen.
Ich mußte drei Blocks nach Osten fahren, bevor ich nach links abbiegen durfte. Dann drei Blocks nach Norden bis zu einer weiteren Möglichkeit, links abzubiegen. Ich fuhr in einer Art gezackten Spirale herum. Ich fand das fünfzehnte Hotel und parkte vor dem Eingang. Ging in die Lobby. Es war ein Hotel von der schmuddeligen Sorte. Nicht sehr sauber und nicht sehr hell. Es sah aus wie eine Höhle.
»Kann ich Ihnen helfen«, fragte der Typ an der Rezeption.
»Nein«, sagte ich.
Ich folgte einem Pfeil in ein Labyrinth von Fluren. Fand Zimmer hundertzwanzig. Klopfte energisch an die Tür. Ich hörte, wie die Türkette rasselte. Ich wartete. Die Tür öffnete sich.
»Hallo, Reacher«, sagte er.
»Hallo, Hubble«, sagte ich.
Er sprudelte über vor Fragen, die er mir stellen wollte, aber ich trieb ihn hinaus zum Wagen. Wir hatten vier Stunden Fahrzeit für diesen Kram. Wir mußten los. Ich hatte über zwei Stunden Vorsprung in meinem Zeitplan. Und das sollte auch so bleiben. Ich wollte die zwei Stunden nicht verlieren. Vielleicht würde ich sie ja noch brauchen.
Er sah ganz okay aus. Nicht wie ein Wrack. Er war sechs Tage auf der Flucht gewesen, und das hatte ihm gutgetan. Dadurch war seine selbstgefällige Haltung verschwunden. Er sah jetzt ein bißchen straffer und langgliedriger aus. Ein bißchen härter. Mehr wie einer von meiner Sorte. Er hatte billige Sachen an und trug Socken. Er benutzte eine alte Metallbrille. Eine Digitaluhr für sieben Dollar überdeckte den Streifen weißer Haut, wo er vorher die Rolex getragen hatte. Er sah aus wie ein Installateur oder wie der Typ, der am Ort den Auspuffschnelldienst betreibt.
Er hatte keine Koffer. Reiste mit leichtem Gepäck. Er blickte sich nur einmal in seinem Zimmer um und ging dann mit mir hinaus. Als könne er nicht glauben, daß sein Leben auf der Straße vorbei war. Als würde er es möglicherweise auf eine gewisse Art vermissen. Wir gingen durch die dunkle Lobby und in die Nacht hinaus. Er blieb stehen, als er den Wagen am Eingang sah.
»Sie sind mit Charlies Wagen gekommen?«
»Sie hat sich Sorgen um Sie gemacht«, sagte ich zu ihm. »Sie bat mich, Sie zu finden.«
Er nickte. Sah verblüfft aus.
»Was soll das mit den getönten Scheiben?«
Ich grinste ihn an und zuckte die Schultern.
»Fragen Sie nicht«, sagte ich. »Das ist eine lange Geschichte.«
Ich ließ den Motor an und entfernte mich langsam vom Hotel. Eigentlich hätte er mich direkt nach Charlie fragen müssen, aber irgend etwas beschäftigte ihn. Ich hatte gesehen, daß ihn eine Welle der Erleichterung überkam, als er die Tür seines Hotelzimmers geöffnet hatte. Aber er hatte auch einen winzigen Vorbehalt. Es hatte mit Stolz zu tun. Er war geflohen und hatte sich versteckt. Er hatte gedacht, daß er es gut machte. Aber es war nicht gut gewesen, weil ich ihn gefunden hatte. Er dachte darüber nach. Er war gleichzeitig erleichtert und enttäuscht.
»Wie zum Teufel haben Sie mich gefunden?« fragte er.
Ich sah ihn wieder achselzuckend an.
»Das war leicht«, sagte ich. »Ich habe eine Menge Übung darin. Ich habe viele Männer gefunden. Habe Jahre damit verbracht, für die Army Deserteure zurückzuholen.«
Ich fuhr langsam durch das Straßennetz und bahnte mir meinen Weg zurück zum Highway. Ich konnte die Reihe der Lichter nach Westen strömen sehen, aber
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