Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jack Reacher 09: Sniper

Jack Reacher 09: Sniper

Titel: Jack Reacher 09: Sniper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
Vom Netzwerk:
lassen?«
    »Keine Ahnung«, sagte die Frau. »Jeb tut alles auf seine Art.«
    Reacher verließ rückwärts gehend die Scheune und schloss die Torflügel. Dann drückte er mit den Daumen die herausgerissenen Schrauben wieder in das zersplitterte Holz. Das Gewicht des Schlosses zog sie halb wieder heraus. Er sorgte dafür, dass alles so ordentlich wie möglich aussah. Dann wandte er sich ab und verließ das Grundstück.
    »Kommt Jeb jemals wieder?«, rief die Frau ihm nach.
    Reacher gab keine Antwort.
     
    Die Motorhaube des Mustang zeigte nach Norden, deshalb fuhr Reacher dorthin. Er stellte den CD-Player laut und fuhr auf einer schnurgeraden Straße zehn Meilen weit einem Horizont entgegen, den er nie erreichte.
     
    Raskin grub sein eigenes Grab mit einem Caterpillar-Bagger, einer der Maschinen, mit denen das Grundstück des Zec planiert worden war. An dem Greifarm war die einen halben Meter breite Grabenschaufel mit vier Stahlzinken montiert. Die Schaufel trug lange Streifen des weichen Bodens ab und legte sie seitlich ab. Der Motor röhrte und wurde langsamer, röhrte und wurde langsamer, während pulsierende Dieselschwaden den Himmel Indianas verdüsterten.
    Raskin war während der Sowjetherrschaft geboren und hatte viel erlebt. Afghanistan, Tschetschenien, Aufruhr in Moskau. Ein Kerl mit seiner Vergangenheit hätte schon mehrmals tot sein müssen, und im Verein mit seinem angeborenen russischen Fatalismus machte ihn diese Tatsache seinem Schicksal gegenüber völlig gleichgültig.
    »Ukas«, hatte der Zec gesagt. Ein Befehl von höchster Stelle.
    »Nitschewo«, hatte Raskin geantwortet. Mach dir nichts daraus.
    Also arbeitete er mit dem Bagger. Er hatte eine Stelle hinter dem Haus gewählt, die von dem Quetschwerk aus nicht einzusehen war. Dort hob er eine ordentliche Grube aus: einen Meter breit, zwei Meter lang, zwei Meter tief. Das ausgehobene Erdreich legte er rechts von sich ab – östlich von sich, wie eine Barriere zwischen sich und der alten Heimat. Als er fertig war, fuhr er den Bagger ein Stück weit zurück und stellte ihn ab. Kletterte aus der Kabine und wartete. Es gab kein Entkommen. Ein Fluchtversuch wäre zwecklos gewesen. Flüchtete er, würden sie ihn ohnehin finden. Und dann bräuchte er kein Grab mehr. Sie würden Müllsäcke verwenden, fünf oder sechs, und Draht benutzen, um die einzelnen Teile seines Körpers in kaltem schwarzem Plastikmaterial zu versiegeln. Sie würden Ziegelsteine dazutun und die Säcke in den Fluss werfen.
    Das hatte er schon selbst erlebt.
    In der Ferne kam der Zec aus dem Haus. Ein kleiner, stämmiger Mann, vom Alter gebeugt, mäßig schnell gehend, Kraft und Energie ausstrahlend. Er suchte sich seinen Weg über den unebenen Boden, blickte nach unten, sah nach vorn. Fünfzig Meter, hundert. Er erreichte Raskin und blieb stehen. Er griff mit seiner verkrüppelten Hand in die Tasche und zog einen kleinen Revolver heraus, den er zwischen dem Daumen und dem Stummel seines Zeigefingers am Abzugbügel hielt. Er hielt ihn Raskin hin, der ihm die Waffe abnahm.
    »Ukas«, sagte der Zec.
    »Nitschewo«, antwortete Raskin. Ein kurzer, freundlicher, bescheidener Laut wie de rien im Französischen oder de nada im Spanischen. Bitte. Ich stehe zu Diensten .
    »Danke«, sagte der Zec.
    Raskin trat ans schmale Ende des Grube. Klappte die Trommel des Revolvers heraus und sah, dass sie eine einzelne Patrone enthielt. Klappte sie wieder hinein und drehte sie so, dass die Patrone sich an der richtigen Stelle befand. Dann zog er den Hammer zurück und steckte sich den Revolverlauf in den Mund. Er drehte sich um, sodass er dem Zec zugekehrt war, und schlurfte rückwärts, bis seine Absätze den Rand der Grube erreicht hatten. Er stand unbeweglich, aufgerichtet, auf Zehenspitzen balancierend und konzentriert wie ein Turmspringer, der bei den Olympischen Spielen zu einem Schraubensalto rückwärts vom Zehnmeterbrett ansetzt.
    Er schloss die Augen.
    Er drückte ab.
    Im Umkreis von einer Meile flogen schwarze Krähen krächzend auf. Blut, Gehirnmasse und Knochensplitter stiegen im Sonnenlicht in einer perfekten Parabel auf. Raskins Leichnam fiel nach hinten und landete flach ausgestreckt auf dem Boden der Grube. Die Krähen ließen sich erneut nieder, und der gedämpfte Arbeitslärm der Maschinen des Quetschwerks kehrte zurück und klang wie Stille. Dann kletterte der Zec in die Baggerkabine und ließ den Motor an. Die Hebel endeten alle mit dicken Kugelgriffen, sodass er sie leicht mit den

Weitere Kostenlose Bücher