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Jack Reacher 09: Sniper

Jack Reacher 09: Sniper

Titel: Jack Reacher 09: Sniper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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auf den Feldern drehten. Ansonsten nirgends eine Aktivität. Kein Verkehr auf der Straße. Kein Hundegekläff. Die stille Luft roch scharf nach Kunstdünger und feuchter Erde. Reacher klopfte zweimal kräftig an der Haustür. Keine Reaktion. Er versuchte es noch mal. Wieder nichts. Er ging ums Haus herum und traf auf der Veranda eine Frau an, die in einer Hollywoodschaukel saß. Sie war hager und trug ein Baumwollkleid mit verblasstem Blumenmuster. In ihrem Schoß lag eine Halbliterflasche mit einer goldgelben Flüssigkeit. Sie war vermutlich fünfzig, hätte aber für sechzig durchgehen können – oder für vierzig, wenn sie sich geduscht und einmal richtig ausgeschlafen hätte. Sie hatte ein Bein untergeschlagen und benutzte das andere dazu, die Schaukel in gemächlicher Bewegung zu halten. Sie war barfuß.
    »Was wollen Sie?«, fragte sie.
    »Jeb.«
    »Nicht da.«
    »In der Arbeit ist er auch nicht.«
    »Das weiß ich.«
    »Wo steckt er also?«
    »Woher soll ich das wissen?«
    »Sind Sie seine Mutter?«
    »Ja, die bin ich. Denken Sie, dass ich ihn hier versteckt habe? Meinetwegen können Sie überall nachsehen.«
    Reacher sagte nichts. Die Frau starrte ihn an und schaukelte vor und zurück, vor und zurück. Die Flasche lag bequem in ihrem Schoß.
    »Ich bestehe darauf«, sagte sie. »Im Ernst! Durchsuchen Sie das verdammte Haus.«
    »Mir genügt Ihr Wort.«
    »Wieso das?«
    »Dass Sie mich auffordern, das Haus zu durchsuchen, beweist mir, dass er nicht drin ist.«
    »Er ist wie gesagt nicht da.«
    »Was ist mit der Scheune?«
    »Die ist von außen abgesperrt. Es gibt nur einen Schlüssel, und den hat er.«
    Reacher schwieg.
    »Er ist weg«, sagte die Frau. »Verschwunden.«
    »Verschwunden?«
    »Nur vorübergehend, hoffe ich.«
    »Ist das sein Truck?«
    Die Frau nickte. Nahm geziert einen kleinen Schluck aus ihrer Pulle.
    »Dann ist er also zu Fuß fort?«, fragte Reacher.
    »Er ist abgeholt worden. Von einem Freund.«
    »Wann?«
    »Gestern spätabends.«
    »Um wohin zu fahren?«
    »Keine Ahnung.«
    »Und wenn Sie raten müssten?«
    Die Frau zuckte mit den Schultern, schaukelte, nahm einen kleinen Schluck.
    »Vermutlich weit weg«, sagte sie. »Er hat überall Freunde. Vielleicht nach Kalifornien. Oder Arizona. Oder Texas. Oder Mexiko.«
    »War diese Reise geplant?«, wollte Reacher wissen.
    Die Frau wischte den Flaschenrand mit dem Kleidersaum ab und hielt ihm die Flasche hin. Er schüttelte den Kopf. Setzte sich auf die Verandatreppe, deren altes Holz unter seinem Gewicht knarrte. Die Hollywoodschaukel schwang weiter, vor und zurück, fast geräuschlos. Fast, aber nicht ganz. An jedem Umkehrpunkt gab die Mechanik ein kleines Geräusch von sich, und ein Bodenbrett quietschte leise, wenn die Schaukel nach vorn zu schwingen begann. Reacher konnte Schimmel von den Polstern und Bourbon aus der Flasche riechen.
    »Karten auf den Tisch, wer, zum Teufel, Sie auch sein mögen«, sagte die Frau. »Jeb ist letzte Nacht humpelnd heimgekommen. Mit gebrochener Nase. Und ich schätze, dass Sie der Kerl sind, der ihm das eingebrockt hat.«
    »Warum?«
    »Warum sollten Sie ihn sonst suchen? Ich schätze, dass er was angefangen hat, das er nicht zu Ende bringen konnte.«
    Reacher schwieg.
    »Also ist er abgehauen«, sagte die Frau. »Der Feigling.«
    »Hat er letzte Nacht jemanden angerufen? Oder ist er von jemandem angerufen worden?«
    »Woher soll ich das wissen? Er ruft täglich tausend Leute an, kriegt täglich tausend Anrufe. Sein Handy ist das größte Ding in seinem Leben. Nach seinem Truck.«
    »Haben Sie gesehen, wer ihn abgeholt hat?«
    »Irgendein Kerl mit einem Auto. Hat an der Straße gewartet. Wollte nicht die Fahrspur entlangkommen. Ich hab nicht viel gesehen. Es war dunkel. Vorn weiße Scheinwerfer, hinten rote Lichter, aber die haben alle Autos.«
    Reacher nickte. Er hatte nur einen Satz Reifenspuren im Schlamm gesehen – die des großen Pick-up. Der an der Straße wartende Wagen war vermutlich eine Limousine gewesen, deren geringe Bodenfreiheit sich nicht für die Fahrspur eignete.
    »Hat er gesagt, wie lange er wegbleiben wird?«
    Die Frau schüttelte den Kopf.
    »Hat er vor irgendwas Angst gehabt?«
    »Er war irgendwie niedergeschlagen. Deprimiert.«
    Deprimiert . Wie die kleine Rothaarige im Geschäft für Autoersatzteile.
    »Okay«, sagte Reacher. »Danke.«
    »Gehen Sie jetzt?«
    »Ja«, antwortete Reacher. Er ging auf dem gleichen Weg zurück, horchte auf die kleinen Geräusche der Hollywoodschaukel,

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