Jack Reacher 09: Sniper
sich hier bestens auszukennen. Helen Rodin und Alan Danuta kamen gleich hinter ihnen. Die Ärzte erreichten den Aufzug, und Niebuhr drückte den Rufknopf. Die anderen schlossen zu ihnen auf. Dann drehte Helen Rodin sich um, trat dicht an Reacher heran und sprach leise mit ihm.
»Sagt Ihnen der Name Eileen Hutton etwas?«
»Warum?«
»Mein Vater hat mir eine neue Zeugenliste gefaxt. Er hat sie draufgesetzt.«
Reacher sagte nichts.
»Sie scheint bei der Army zu sein«, erklärte Helen. »Kennen Sie sie?«
»Sollte ich?«
Helen kam noch näher an ihn heran, kehrte den anderen den Rücken zu.
»Ich muss wissen, was sie weiß«, flüsterte sie.
Das könnte einiges komplizierter machen , dachte Reacher.
»Sie war die Strafverfolgerin«, sagte er.
»Wann? Vor vierzehn Jahren?«
»Ja.«
»Wie viel weiß sie also?«
»Sie ist jetzt im Pentagon, glaube ich.«
»Wie viel weiß sie, Reacher?«
Er sah weg.
»Sie weiß alles«, sagte er.
»Woher? Barr ist niemals auch nur in die Nähe eines Gerichtssaals gekommen.«
»Trotzdem.«
»Woher?«
»Weil ich mit ihr geschlafen habe.«
Sie starrte ihn an. »Sagen Sie mir, dass das ein Scherz sein soll.«
»Das ist kein Witz.«
»Sie haben ihr alles erzählt?«
»Wir hatten eine Beziehung. Natürlich habe ich ihr alles erzählt. Wir haben auf derselben Seite gestanden.«
»Zwei einsame Menschen in der Wüste.«
»Wir hatten eine wundervolle Beziehung. Drei Monate lang. Sie war sehr nett. Das ist sie vermutlich noch immer. Ich habe sie sehr gemocht.«
»Das sind mehr Informationen, als ich brauche, Reacher.« Er sagte nichts.
»Jetzt ist die Sache vollends außer Kontrolle«, stellte Helen fest.
»Sie kann nicht nutzen, was sie weiß. Noch weniger als ich. Der Fall ist weiter geheim, und sie ist immer noch in der Army.«
Helen Rodin schwieg.
»Das können Sie mir glauben«, sagte Reacher.
»Wieso steht sie dann auf der verdammten Liste?«
»Mein Fehler«, antwortete Reacher. »Ich habe Ihrem Vater gegenüber das Pentagon erwähnt. Weil ich mir nicht erklären konnte, wie mein Name aufgetaucht war. Er muss ein bisschen rumgestochert haben. Ich habe befürchtet, dass er’s tun würde.«
»Redet sie, ist alles vorbei, bevor es angefangen hat.«
»Das kann sie nicht.«
»Vielleicht kann sie’s doch. Vielleicht tut sie’s. Wer, zum Teufel, weiß schon, was in den Köpfen der Militärs vorgeht?«
Das Klingelzeichen erklang, und die kleine Gruppe trat etwas näher an den Aufzug heran.
»Sie werden mit ihr reden müssen«, sagte Helen. »Sie wird herkommen, um ihre Aussage zu Protokoll zu geben. Und Sie müssen rauskriegen, was sie sagen wird.«
»Sie dürfte jetzt ihren ersten Generalsstern haben. Ich kann sie nicht dazu zwingen, mir irgendwas zu erzählen.«
»Finden Sie eine Möglichkeit«, sagte Helen. »Schwärmen sie ihr von alten Zeiten vor.«
»Vielleicht will ich das nicht. Sie und ich stehen weiter auf derselben Seite, haben Sie das vergessen? Zumindest was Specialist E-4 James Barr betrifft.«
Helen Rodin machte auf dem Absatz kehrt und betrat die Aufzugkabine.
Im fünften Stock entließ der Aufzug sie in ein kleines Foyer mit kahlen Betonwänden und einer massiven Tür aus Stahl und Drahtglas, die in eine Sicherheitsluftschleuse führte. Dahinter konnte Reacher Hinweisschilder auf eine Intensivstation, zwei Isolierstationen für Männer und Frauen, eine allgemeine Abteilung und eine Station für Frühgeburten sehen. Vermutlich war der ganze fünfte Stock mit staatlichen Mitteln finanziert worden. Keine erfreuliche Umgebung, vielmehr eine perfekte Mischung aus Gefängnis und Krankenhaus.
Am Empfang wartete ein Typ in der grauen Uniform eines Gefängniswärters auf die Gruppe. Alle mussten sich einer Leibesvisitation unterziehen und eine Erklärung unterschreiben, dass sie die Abteilung auf eigene Gefahr betreten. Dann erschien ein müde aussehender, etwa dreißigjähriger Arzt und führte sie in einen kleinen Wartebereich, der mit grün gepolsterten Kunstlederstahlrohrsesseln möbliert war. Sie sahen aus, als stammten sie aus ausgeschlachteten Chevrolets aus den fünfziger Jahren.
»Barr ist wach und einigermaßen ansprechbar«, informierte sie der Arzt. »Wir bewerten seinen Zustand als stabil, aber das bedeutet nicht, dass er schon wieder gesund ist. Deshalb darf er jeweils nur höchstens zwei Besucher empfangen, und wir bitten sie, sich möglichst kurz zu fassen.«
Reacher sah Helen Rodin lächeln und wusste, weshalb. Die Cops
Weitere Kostenlose Bücher