Jack Reacher 09: Sniper
»Stimmt’s?«
»Was passiert ist, tut mir sehr leid«, erklärte sie.
»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich bin nicht beleidigt. Ich will nur wissen, wie die Sache gelaufen ist.«
»Das weiß ich nicht.«
»Doch, das weißt du, Sandy. Du warst dort.«
Sie schwieg. Legte nur die Rechnung auf den rechten Stapel und richtete sie exakt aus.
»Wer hat die Sache arrangiert?«, fragte Reacher.
»Keine Ahnung.«
»Du musst wissen, wer dir davon erzählt hat.«
»Jeb«, sagte sie.
»Jeb?«
»Jeb Oliver«, sagte sie. »Er arbeitet hier. Wir gehen manchmal zusammen aus.«
»Ist er heute hier?«
»Nein, er ist nicht gekommen.«
Reacher nickte. Der Kerl namens Gary hatte gesagt: Ich hab heute einen Mann zu wenig.
»Hast du ihn gestern Abend noch mal gesehen? Danach?«
»Nein, ich bin bloß weggelaufen.«
»Wo wohnt er?«
»Das weiß ich nicht. Irgendwo bei seiner Mutter. Ich kenne ihn nicht besonders gut.«
»Was hat er dir erzählt?«
»Dass ich ihm bei etwas helfen könnte, das er zu tun hatte.«
»Hat es amüsant geklungen?«
»An einem Montagabend in diesem Kaff klingt alles amüsant. Sogar zuzusehen, wie ein Scheunenbalken sich verzieht, klingt amüsant.«
»Wie viel hast du dafür gekriegt?«
Sandy gab keine Antwort.
»So was macht kein Mensch umsonst«, sagte Reacher.
»Hundert Dollar«, sagte sie.
»Und die vier anderen Kerle?«
»Jeder’nen Hunderter.«
»Wer waren sie?«
»Seine Kumpel.«
»Wer hat den Plan ausgearbeitet? Die Masche mit den Brüdern?«
»Das war Jebs Idee. Du solltest mich begrapschen. Nur hast du’s nicht getan.«
»Du hast sehr gut improvisiert.«
Sie lächelte schwach, als sei dies ein kleiner unerwarteter Erfolg in einem Leben gewesen, das sehr wenige Erfolge für sie bereithielt.
»Woher habt ihr gewusst, wo ich zu finden bin?«, fragte Reacher.
»Wir sind mit Jebs Pick-up rumgefahren. Kreuz und quer durch die Stadt. Sozusagen in Bereitschaft. Dann ist er auf dem Handy angerufen worden.«
»Wer hat ihn angerufen?«
»Keine Ahnung.«
»Würden’s seine Kumpel wissen?«
»Das glaub ich nicht. Jeb weiß gern Dinge, die sonst keiner weiß.«
»Du hättest nicht Lust, mir dein Auto zu leihen?«
»Mein Auto?«
»Ich muss versuchen, Jeb zu finden.«
»Ich weiß nicht, wo er wohnt.«
»Diesen Teil kannst du mir überlassen. Aber ich brauche ein Auto.«
»Ach, ich weiß nicht …«
»Ich bin alt genug, um fahren zu dürfen«, meinte Reacher. »Ich bin alt genug, um alle möglichen Dinge zu tun. Und auf manche verstehe ich mich ziemlich gut.«
Sie lächelte erneut schwach, weil er ihre Worte vom Abend zuvor zitiert hatte. Sie schaute weg, dann blickte sie wieder zu ihm auf: schüchtern, aber neugierig.
»War ich ein bisschen gut?«, fragte sie. »Du weißt schon, als ich dir gestern was vorgespielt habe?«
»Du warst echt klasse«, antwortete er. »Ich hatte nur andere Dinge im Kopf, sonst wäre das Footballspiel sofort für mich erledigt gewesen.«
»Wie lange würdest du mein Auto brauchen?«
»Wie groß ist diese Stadt?«
»Nicht sehr.«
»Dann nicht sehr lange.«
»Ist das eine große Sache?«
»Du hast hundert Dollar gekriegt – wie jeder der vier anderen Kerle. Das sind schon mal fünfhundert. Ich vermute, dass Jeb weitere fünfhundert für sich behalten hat. Also hat jemand tausend Dollar dafür ausgegeben, mich ins Krankenhaus zu bringen. Das ist schon eine mittelgroße Sache. Jedenfalls für mich.«
»Ich wollte, ich hätte nicht mitgemacht.«
»Zum Glück ist nichts weiter passiert.«
»Kriege ich Schwierigkeiten?«
»Vielleicht«, sagte Reacher. »Vielleicht aber auch nicht. Wir könnten einen Handel abschließen. Du leihst mir dein Auto, und ich vergesse den gestrigen Abend.«
»Versprochen?«
»Ehrenwort«, sagte Reacher.
Sie beugte sich zur Seite, hob ihre Umhängetasche vom Boden auf, wühlte darin herum und brachte einen Schlüsselbund zum Vorschein.
»Es ist ein Toyota«, erklärte sie ihm.
»Ich weiß«, sagte Reacher. »In der Parkbucht neben Garys Chevy.«
»Woher weißt du das?«
»Intuition«, sagte er.
Er ließ sich den Schlüsselbund geben, schloss die Tür des kleinen Raums hinter sich und ging wieder zur Serviceinsel. Gary war damit beschäftigt, die Einkäufe eines Mannes einzutippen. Reacher stellte sich hinter dem Kunden an. Zwei Minuten später stand er selbst vor der Kasse.
»Ich brauche Jeb Olivers Adresse«, sagte er.
»Wieso?«,fragte Gary.
»Wegen einer juristischen Sache.«
»Ich will
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