Jack Ryan 02 - Die Stunde der Patrioten
legte das zweite Foto auf die Theke.
«Jesus, Maria und Josef.» Es war nicht leicht, zu erkennen, daß unter all den medizinischen Utensilien ein Kind lag. Ihre Füße staken aus dicken Bandagen heraus. In ihrem Mund steckte ein zwei Zentimeter dicker Plastikschlauch, und die anderen sichtbaren Teile ihres Körpers bildeten eine schreckliche entstellte Masse, die der Fotograf bemerkenswert geschickt auf den Film gebannt hatte.
«Sie hat noch Glück gehabt, Onkel John. Ihre Mutter war auch dabei.» Zwei andere Fotos wurden auf die Theke gelegt.
«Was ist das, ein Autounfall - was soll das?» fragte John Donoho. Er wußte wirklich nicht, was all das bezweckte.
«Sie ist Chirurgin - und sie ist schwanger, aber das kann man auf den Bildern nicht sehen. Ihr Wagen wurde gestern außerhalb von Annapolis mit einer Maschinenpistole beschossen. Ein paar Minuten später haben sie einen Polizisten umgelegt.» Er legte noch ein Foto auf die Theke.
«Was? Wer hat es getan?» fragte der ältere Mann.
«Und das hier ist der Vater, Jack Ryan.» Es war dieselbe Aufnahme, die die Londoner Zeitungen gebracht hatten, Jacks Abgangsfoto von Quantico. Eddie wußte, daß sein Onkel immer Stolz empfand, wenn er eine Ausgehuniform der Marines sah.
«Den hab ich schon mal irgendwo gesehen ...»
«Ja. Er hat vor ein paar Monaten einen Terroristenanschlag in London vereitelt. Anscheinend waren die Terroristen so sauer, daß sie ihm und seiner Familie hier drüben an den Kragen wollten. Das Bureau befaßt sich damit.»
«Wer hat es getan?»
Das letzte Foto wanderte auf die Theke. Es zeigte, wie Ryan nach Paddy O'Neils Kehle griff und von einem Schwarzen zurückgehalten wurde.
John Donoho starrte einige Sekunden auf das Foto. «Willst du vielleicht sagen, daß Paddy was damit zu tun hatte?»
«Ich habe dir seit Jahren gesagt, daß der Kerl nur eine Galionsfigur für die Terroristen ist. Wenn du mir nicht glaubst, kannst du Mr. Ryan fragen. Es ist schlimm genug, daß O'Neil jedesmal, wenn er hierher kommt, auf unser Land spuckt. Seine Freunde hätten gestern um ein Haar diese ganze Familie umgebracht. Wir haben einen von ihnen erwischt. Zwei Posten von der Akademie, beides Marines, nahmen ihn fest, als er Ryan auflauerte. Er heißt Eamon Clark, und wir wissen, daß er für den Provisorischen Flügel der Irisch-Republikanischen Armee gearbeitet hat - wir wissen es, Onkel John, er ist ein überführter Mörder. Sie haben ihn mit einer geladenen Pistole in der Tasche gefaßt. Glaubst du immer noch, daß sie gute Jungs sind? Verdammt, jetzt fangen sie sogar an, auf Amerikaner zu schießen! Wenn du mir nicht glaubst, glaub bitte das hier.» Er ordnete die Fotos auf der Theke neu. «Dieses kleine Mädchen und seine Mutter und ein ungeborenes Kind wären gestern um ein Haar gestorben. Dieser Polizist ist gestorben. Er hinterläßt eine Frau und einen Sohn. Dein Freund da im Hinterzimmer sammelt Geld, um die Schießeisen zu kaufen, er steckt mit den Kerlen unter einer Decke, die das hier gemacht haben!»
«Aber warum?»
«Ich hab' doch gesagt, daß der Vater des Mädchens ihnen drüben in London in die Quere kam und einen Mord verhinderte. Ich nehme an, sie wollten es ihm heimzahlen - und nicht nur ihm, sondern seiner Familie gleich mit», erläuterte der FBI-Agent langsam.
«Das kleine Mädchen hat doch nichts ...»
«Verdammt noch mal!» fluchte Eddie wieder. «Deshalb heißen sie ja Terroristen!» Er kam durch. Er konnte sehen, daß sein Onkel endlich kapierte.
«Du bist sicher, daß Paddy etwas mit ihnen zu tun hat?» fragte sein Onkel.
«Er hat unseres Wissens nie eine Pistole angefaßt. Er ist ihr Sprachrohr, er kommt hierher und treibt Geld auf, damit sie drüben solche Sachen tun können. Oh, er macht sich nicht selbst die Hände schmutzig. Dafür ist er zu schlau. Aber das Geld wird dafür benutzt. Das wissen wir ohne den Schatten eines Zweifels. Und jetzt fangen sie das Spiel auch hier bei uns an.» Agent Donoho wußte, daß O'Neil erst in zweiter Linie nach Amerika kam, um Geld aufzutreiben, und daß die psychologischen Gründe wichtiger waren, aber jetzt war nicht der Augenblick, die Sache mit Details zu vernebeln. Er beobachtete, wie sein Onkel auf das Foto des kleinen Mädchens starrte.
«Du bist sicher? Ganz sicher?»
«Onkel John, wir haben jetzt über dreißig Agenten auf den Fall angesetzt, und dann noch die Staatspolizei. Jede Wette, wir sind sicher. Und wir werden sie kriegen. Der Direktor selbst wird Himmel und
Weitere Kostenlose Bücher