Jack Ryan 02 - Die Stunde der Patrioten
dem großen Spiegel an der Innenseite der Wandschranktür und drehte sich, mit beiden Händen über die sichtlich veränderten Partien fahrend, halb deprimiert und halb stolz um.
«Es wird noch schlimmer werden», sagte ihr Mann, als er aus der Duschkabine trat.
«Vielen Dank, ich kann den Trost gut brauchen.»
«Kannst du deine Füße noch sehen?» fragte er lächelnd.
«Nein, aber ich fühle sie.» Sie schwollen nun immer häufiger an, zusammen mit den Knöcheln.
«Für mich siehst du toll aus.» Jack blieb hinter ihr stehen und legte die Arme um sie und hielt ihren großen Bauch. Er legte die Wange auf ihren Kopf. «Ich liebe dich.»
«Das kannst du leicht sagen.» Sie schaute immer noch in den Spiegel. Jack sah ihr Gesicht im Glas, das winzige Lächeln auf ihren Lippen. Eine Aufforderung? Er verlagerte die Hände nach oben, um es festzustellen. «Au! Ich bin fast wund.»
«Entschuldige.» Er lockerte seinen Griff, hielt sie nicht mehr verlangend, nur noch zärtlich fest. «Oh. Hat sich da was geändert?»
«Merkst du das jetzt erst?» Das Lächeln wurde ein klein wenig breiter. «Es ist eine Schande, daß ich all das durchmachen muß, um größere Brüste zu bekommen.»
«Habe ich mich je beklagt? Alles an dir ist immer Eins-plus gewesen. Ich finde, die Schwangerschaft bringt dich runter auf Zweiminus. Aber nur in einer Beziehung», fügte er hinzu.
«Sie haben zu lange Unterricht gegeben, Herr Professor.» Jetzt waren ihre Zähne zu sehen. Sie lehnte sich zurück und rieb ihre Haut an seiner behaarten Brust. Aus irgendeinem Grund stand sie darauf.
«Du bist wunderschön», sagte er. «Du glühst.»
«Hoffentlich nicht. Ich muß nämlich zur Arbeit.» Jack nahm seine Hände nicht fort. «Ich muß mich anziehen, Jack!»
«Wie sehr ich dich liebe, gibt es Worte dafür?» flüsterte er in ihr nasses Haar. «Laß mich nachdenken ...»
«Nicht jetzt, du Wüstling.»
«Warum nicht?» Seine Hände bewegten sich sehr liebevoll.
«Weil ich in drei Stunden operieren muß, und du mußt zu deinen Spionen.» Aber sie rührte sich nicht. Es gab nicht mehr so viele Augenblicke, die sie allein sein konnten.
«Ich fahre heute nicht hin. Ich hab' eine Besprechung in der Akademie. Ich fürchte, der Fachbereich ist ein bißchen sauer auf mich.» Er sah weiter in den Spiegel. Zum Teufel mit dem Fachbereich ... Ihre Augen waren jetzt geschlossen. «Mein Gott, wie ich dich liebe.»
«Heute abend, Jack.»
«Ehrenwort?»
«Ich werd' den ganzen Tag daran denken. Und jetzt muß ich ...» Sie nahm seine Hände, zog sie nach unten und drückte sie auf ihren prallen Bauch.
Er - das Baby war ganz bestimmt ein Er - war hellwach, drehte sich hin und her und strampelte, um gegen die dunkle Hülle zu protestieren, die seine Welt definierte.
«Wow!» machte sein Vater. Cathys Hände schoben die seinen alle paar Sekunden zu einer anderen Stelle, um ihm zu zeigen, was das Baby tat. «Was für ein Gefühl ist es eigentlich?»
«Ein sehr schönes, außer wenn ich einschlafen möchte oder wenn er mich mitten bei einer Operation an die Blase tritt.»
«War Sally auch so ..., so kräftig?»
«Ich glaube nicht.» Sie sagte nicht, daß Dinge wie Kraft und Stärke gar keine Rolle spielten, wenn man an eine Schwangerschaft zurückdenkt. Wichtig war nur das einzigartige Gefühl, daß das Baby lebt und gesund ist. Cathy Ryan war eine stolze Frau. Sie wußte, daß sie eine der besten Augenchirurginnen weit und breit war. Sie wußte, daß sie attraktiv war, und sie tat etwas dafür, es zu bleiben; sie wußte, daß sie selbst jetzt, während der Schwangerschaft, eine gute Figur machte. «Ich muß mich jetzt wirklich anziehen.»
«Okay.» Er küßte ihren Nacken. Er ließ sich Zeit. Es würde bis heute abend vorhalten müssen.
«Jack, ich liebe dich, und ich glaube an dich. Ich weiß, daß du das Richtige tust.»
«Das freut mich, Schatz, aber ich bin manchmal nicht so sicher.» Er streckte die Arme aus, und sie kam noch einmal zu ihm. Auf irgendeinem französischen Militärstützpunkt im Tschad sitzt jetzt eine junge Frau, die nicht mehr auf eine liebevolle Umarmung hoffen kann, dachte er. Wessen Schuld ist das? Eines steht fest: sie ist nicht so wie meine Frau. Sie hat Dinge getan, die Cathy nie tun würde.
23
Wir haben diese Aufnahmen gestern nacht bekommen.» Ryan konnte sehen, daß sich die Prioritäten bei der CIA verschoben hatten. Der Mann, der zusammen mit ihm die Fotos untersuchte, bekam graue Haare und trug eine randlose
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