Jack Ryan 02 - Die Stunde der Patrioten
acht bekannte und fünfzehn mutmaßliche Agenten, einen oder zwei in jedem Land, mit dem er Geschäfte machte - natürlich! Ryan tippte wieder Cantors Nummer.
«Ich nehme an, wir haben nie mit Martens geredet?» fragte Ryan.
«Seit ein paar Jahren nicht mehr. Er hat mal für uns Waffen nach Angola geschleust, aber seine Arbeitsweise gefiel uns nicht.»
«Warum nicht?»
«Der Mann ist ein übler Gauner», antwortete Cantor. «Das sind natürlich die meisten Waffenhändler, aber wir versuchen, den Typ zu meiden. Wir fanden einen eigenen Weg, nachdem der Kongreß solche Operationen mehr oder weniger erlaubt hatte.»
«Ich habe hier dreiundzwanzig Namen», sagte Jack.
«Ja, ich kenne die Akte. Wir glaubten letzten November, daß er Waffen an eine von den Iranern finanzierte Gruppe verkaufte, aber es stimmte nicht. Wir brauchten einige Monate, um es festzustellen. Es wäre leichter gewesen, wenn wir die Möglichkeit gehabt hätten, mit ihm zu reden.»
«Was ist mit den Briten?» fragte Jack.
«Eine Mauer», sagte Martin. «Jedesmal, wenn sie mit ihm reden wollen, sagt irgendein dicker alter Burensoldat nein. Man kann ihnen im Grunde keinen Vorwurf machen - wenn der Westen sie wie Parias behandelt, benehmen sie sich eben wie Parias. Außerdem muß man bedenken, daß Parias zusammenhalten.»
«Wir wissen also nicht, was wir über diesen Burschen wissen müßten, und wir werden es auch nicht herausfinden?»
«Das habe ich nicht gesagt.»
«Dann schicken wir ein paar Leute hin, um sich ein bißchen umzusehen?» fragte Ryan hoffnungsvoll.
«Das habe ich auch nicht gesagt.»
«Verdammt, Martin!»
«Jack, Sie haben keinen Sicherheitsbescheid für Agentenoperationen. Falls Sie es noch nicht gemerkt haben sollten: die Akten, die Sie gesehen haben, sagen Ihnen alle nicht, wie die Informationen hierher gekommen sind.»
Ryan hatte es bemerkt. Informanten wurden nicht genannt, Treffpunkte wurden nicht angegeben, und nirgends gab es einen Hinweis auf die Methoden, mit denen man die Informationen weitergegeben hatte. «Okay, darf ich dann wenigstens annehmen, daß wir mit welchen Mitteln auch immer mehr Daten über diesen Herrn beschaffen werden?»
«Sie dürfen annehmen, daß die Möglichkeit erwogen wird.»
«Er ist womöglich die beste Spur, die wir haben», sagte Jack mit Nachdruck.
«Ich weiß.»
«Das hier kann ziemlich frustrierend sein», sagte Ryan. Er mußte es loswerden.
«Was erzählen Sie mir?» schmunzelte Cantor.
«Wann kann ich etwas über Martens erwarten?» fragte Ryan.
«Sie kriegen Bescheid, sobald es hereinkommt», versprach Cantor.
«Großartig.» Jack verbrachte den restlichen Tag und einige Stunden des nächsten damit, die Liste der Leute durchzugehen, mit denen Martens Geschäfte gemacht hatte. Er war heilfroh, daß er die nächsten beiden Tage Unterricht geben mußte, aber er fand doch eine mögliche Verbindung. Die Mercury-Motoren des Zodiac-Schlauchboots, mit dem die ULA nach dem Angriff auf die Fähre abgehauen war, stammte wahrscheinlich - die Spur verlor sich in Europa - von einem Händler in Malta, mit dem Martens dann und wann einen kleinen Deal machte.
Im Frühling - endlich - war Sally wieder so wie früher. Wie die Ärzte ihren Eltern versprochen hatten, waren ihre Beine nun vollständig verheilt, und sie tollte herum wie in alten Zeiten, natürlich fast immer mit Ernie im Gefolge, der nun vollkommen stubenrein war. Heute würde sie zum erstenmal wieder in den Kindergarten gehen. Die Tatsache, daß sie Gläser von Tischen stieß, wenn sie daran vorbeilief, sagte ihren Eltern, daß alles wieder in Ordnung war, und sie freuten sich viel zu sehr darüber, um sie wegen ihres undamenhaften Benehmens zu schelten. Sally ihrerseits mußte schrecklich viele spontane Umarmungen und Küsse über sich ergehen lassen, die sie nicht recht verstand. Sie war krank gewesen, und jetzt ging es ihr wieder besser. Wie Jack erst nach einiger Zeit begriff, war ihr gar nicht klar gewesen, daß man einen Anschlag auf sie und ihre Mutter verübt hatte. Sie sprach nicht oft davon, und wenn sie es tat, redete sie immer von dem «Autounfall». Sie mußte immer noch alle paar Wochen zu Tests ins Krankenhaus. Sie haßte die Untersuchungen und fürchtete sich davor, aber Kinder finden sich viel schneller mit veränderten Realitäten ab als ihre Eltern.
Eine der neuen Realitäten war ihre Mutter. Das Baby in ihrem Bauch wurde jetzt täglich größer. Jeden Morgen betrachtete Cathy sich nach dem Duschen in
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