Jack Ryan 02 - Die Stunde der Patrioten
Augen zu rinnen. Tony Wilson stand neben ihr und zwinkerte ihm verstohlen zu. Das war keine Überraschung. Jack schüttelte noch ungefähr zehn Leuten die Hand, ehe der Kriminalbeamte ihn in den Fahrstuhl schob.
«Wenn ihr mich das nächstemal verwundet auf der Straße findet, laßt mich bitte liegen und sterben», sagte Ryan.
Der Beamte lachte. «Sie sind verdammt undankbar.»
«Das stimmt.»
Die Fahrstuhltüren glitten im Foyer auf, und er sah zu seiner Erleichterung, daß außer dem Herzog von Edinburgh und einem Schwarm von Sicherheitsmännern niemand da war.
«Guten Abend, Hoheit.» Ryan versuchte aufzustehen, wurde aber wieder nach unten gedrückt.
«Hallo, Jack! Wie fühlen Sie sich?» Sie gaben sich die Hand, und er fürchtete einen Moment lang, der Herzog würde ihn selbst hinausschieben. Die Furcht war unbegründet, denn der Polizist griff wieder nach der Stange, und der Herzog ging neben dem Rollstuhl her. Jack zeigte nach vorn.
«Sir, wenn wir die Tür hinter uns haben, wird es mir mindestens fünfzig Prozent besser gehen.»
«Hungrig?»
«Nach all dem Krankenhausessen? Ich könnte eines von Ihren Polopferden verspeisen.»
Der Herzog lächelte. «Wir werden uns etwas Besseres einfallen lassen.»
Jack zählte sieben Sicherheitsbeamte im Foyer. Draußen stand ein Rolls-Royce - und wenigstens vier andere Autos, zusammen mit Leuten, die nicht wie gewöhnliche Passanten aussahen. Da es schon recht dunkel war, konnte er nicht erkennen, ob jemand das Terrain von den Dächern aus im Auge hatte, aber auch dort würden Männer sein. Na ja, dachte er, sie haben ihre Lektion über Sicherheit gelernt. Trotzdem ist es eine Schande, denn es bedeutet, daß die Terroristen einen Sieg errungen haben. Wenn sie die Gesellschaft zwingen, sich zu ändern, und sei es nur ein klein wenig, haben sie etwas gewonnen. Scheißkerle. Der Polizist schob ihn zu dem Rolls.
«Kann ich jetzt aufstehen?» Der Gipsverband war so schwer, daß er Mühe hatte, das Gleichgewicht zu halten. Er stand etwas zu schnell auf und wäre um ein Haar an den Wagen geplumpst, fing sich jedoch mit einem zornigen Kopfschütteln auf, ehe jemand die Hand nach ihm ausstrecken mußte. Den linken Arm abgespreizt wie der Fuß einer Winterkrabbe, stand er einen Augenblick unbeweglich da und überlegte, wie er bloß in das Auto kommen sollte. Wie sich herausstellte, ging es am besten, wenn er zunächst den Gipsverband hineinsteckte und dann im Uhrzeigersinn mit Gliedmaßen, Kopf und dem restlichen Körper folgte. Der Herzog stieg auf der anderen Seite ein, und sie hatten beinahe Tuchfühlung. Ryan hatte noch nie in einem Rolls-Royce gesessen und fand es nicht sehr geräumig.
«Sitzen Sie bequem?»
«Nun, hoffentlich schlage ich mit diesem Monstergips nicht die Scheibe ein.« Ryan lehnte sich zurück und lächelte entspannt.
«Man sieht Ihnen an, daß Sie das Krankenhaus gern verlassen.»
«Darauf können Sie eines von Ihren Schlössern wetten, Hoheit. Das war jetzt das drittemal, daß sie mich aufgeschnitten und wieder zusammengeflickt haben, und ich habe endgültig die Nase voll davon.»
Der Herzog gab dem Chauffeur ein Zeichen loszufahren. Der Konvoi - zwei Wagen fuhren voraus, zwei andere folgten - bog auf die Straße. «Sir, darf ich fragen, was heute abend auf dem Programm steht?»
«Sehr wenig. Ein kleines Dinner Ihnen zu Ehren, mit ein paar Freunden.»
Jack fragte sich, was «ein paar Freunde» bedeutete. Zwanzig? Fünfzig? Hundert?
«Übrigens, wie sind Sie mit Ihrem Buch vorangekommen? Ihre Frau hat uns von dem Projekt erzählt», fuhr der Herzog fort.
«Ich bin zufrieden, Sir.» Er hatte im Krankenhaus immerhin Zeit für die genaue Gliederung gehabt. Im Computer waren zweihundert neue Seiten mit Notizen und Hypothesen gespeichert, und er hatte einen neuen Standpunkt des Verhaltens der Protagonisten entwickelt. «Ich nehme an, das kleine Zwischenspiel war sehr lehrreich. Vor einer Tastatur zu sitzen, ist etwas ganz anderes, als in eine Gewehrmündung zu blicken. Die Entscheidungen fallen automatisch anders aus.»
Der Herzog lächelte. «Ich glaube kaum, daß irgend jemand die Ihre mißbilligt.»
«Mag sein. Aber es war nichts als Instinkt. Wenn ich gewußt hätte, was ich tat - wenn ich gesehen hätte, daß mein Instinkt mir befahl, das Falsche zu tun?» Er blickte aus dem Fenster. «Ich gelte als Fachmann für Flottengeschichte, und mein Spezialgebiet sind Entscheidungen unter Streß, aber ich bin immer noch nicht mit meiner eigenen
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