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Jack Ryan 02 - Die Stunde der Patrioten

Jack Ryan 02 - Die Stunde der Patrioten

Titel: Jack Ryan 02 - Die Stunde der Patrioten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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ins reine gekommen. Verdammt.» Er schloß leise: «Sir, ich habe einen Menschen getötet, und das vergißt man nicht so schnell. Es ist unmöglich.»
    «Sie sollten nicht zu lange darüber grübeln.»
    «Das stimmt wohl.» Ryan wandte sich vom Fenster ab. Der Herzog betrachtete ihn ganz ähnlich, wie sein Vater ihn vor Jahren angesehen hatte. «Das Gewissen ist der Preis der Moral, und Moral ist der Preis der Zivilisation. Dad hat immer gesagt, viele Verbrecher hätten kein Gewissen, nicht mal echte Gefühle. Ich nehme an, das ist der Unterschied zwischen ihnen und uns.»
    «Genau. Übrigens ... Es ist natürlich gut, daß Sie das alles analysieren, aber Sie sollten nicht übertreiben. Haken Sie es ab, Jack. Ich habe immer den Eindruck gehabt, daß Amerikaner lieber in die Zukunft schauen als in die Vergangenheit. Wenn Sie das schon nicht beruflich tun können, machen Sie es wenigstens im Privatleben.»
    «Ich habe verstanden, Sir. Danke.» Wenn ich wenigstens die Träume abblocken könnte! Fast jede Nacht erlebte Jack die Schießerei aufs neue. Auch so etwas, worüber sie einem im Fernsehen nichts sagten. Das ging nun schon fast drei Wochen so. Der Mensch straft sich selbst dafür, einen Mitmenschen getötet zu haben. Er vergißt es nicht und durchlebt es immer wieder neu. Ryan hoffte, daß es eines Tages aufhören würde.
    Der Wagen bog auf die Westminster-Brücke. Jack hatte nicht genau gewußt, wo das Krankenhaus lag; er hatte nur gemerkt, daß ganz in der Nähe ein Bahnhof sein mußte, und er hatte den Big Ben schlagen hören, so daß es nicht sehr weit von Westminster entfernt sein konnte. Er blickte das gotische Mauerwerk hoch. «Wissen Sie, ich wollte nicht nur recherchieren, sondern auch einen Teil Ihres Landes sehen. Leider bleibt dafür nicht mehr viel Zeit.»
    «Oh, glauben Sie wirklich, daß wir Sie nach Amerika zurückfliegen lassen, ohne daß Sie die britische Gastfreundschaft erlebt hätten?» Der Herzog lächelte breit. «Wir sind natürlich stolz auf unsere Krankenhäuser, aber um die zu besichtigen, kommt man kaum hierher. Keine Sorge, wir haben etwas für Sie arrangiert.» «Oh.»
    Wegen der Dunkelheit konnte Ryan nicht mehr viele Einzelheiten erkennen; er sah, wie der Rolls durch einen Torbogen in den Palasthof hineinfuhr und unter einem Schutzdach hielt, wo ein Posten mit der auffallend zackigen Bewegungsabfolge des britischen Militärs Habachtstellung einnahm. Ein livrierter Diener öffnete den Wagenschlag.
    Beim Aussteigen mußte er die gleichen Verrenkungen machen wie beim Einsteigen. Er wand sich rückwärts aus dem Wagen und zog den Arm als letztes hinaus. Der Diener griff nach seinem Ellbogen, um zu helfen. Jack wollte die Hilfe nicht, aber es war nicht der richtige Moment, um zu protestieren.
    «Sie werden ein bißchen trainieren müssen», bemerkte der Herzog.
    «Da haben Sie recht, Sir.» Jack folgte ihm zur Tür, wo ein anderer Lakai stand.
    «Sagen Sie, Jack ... Als wir Sie damals besuchten, hatte ich den Eindruck, daß die Anwesenheit der Queen Sie viel mehr einschüchterte als meine. Können Sie mir den Grund sagen?»
    «Aber sicher ... Sie waren doch früher Marineoffizier, ja?»
    «Stimmt.» Der Herzog drehte sich um und machte ein neugieriges Gesicht ...
    Ryan feixte. «Sir, ich arbeite in Annapolis. An der Akademie wimmelt es von Marineoffizieren, und ich war selbst mal kurz bei der Marineinfanterie. Wenn ich mich von jedem Seemann einschüchtern ließe, der mir über den Weg läuft, würden die Marines kommen und mir meinen Degen wieder abnehmen.»
    «Für die Antwort wären Sie vor hundert Jahren in den Kerker gekommen.» Sie lachten beide.
    Ryan hatte natürlich erwartet, daß der Palast ihn beeindrucken würde. Trotzdem mußte er sich Mühe geben, um nicht vor Verblüffung den Mund aufzusperren. Von diesem Gebäude aus war einmal die halbe Welt regiert worden, und zu all dem, was die königliche Familie im Lauf der Jahrhunderte erworben und gesammelt hatte, waren Geschenke aus allen Teilen der Erde gekommen. Die breiten Korridore, durch die sie gingen, waren mit zahllosen Gemälden und Skulpturen geschmückt. Die Wände waren meist von elfenbeinfarbener, von Goldfäden durchzogener Seide überzogen. Kostbare dunkelrote Orientteppiche bedeckten die Böden aus Marmor oder Parkett. Der Finanzmann in Jack versuchte, den Wert all der Kostbarkeiten überschlägig zu berechnen, doch nach ungefähr zehn Sekunden gab er es auf. Allein die Bilder waren so wertvoll, daß jeder

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