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Jack Taylor auf dem Kreuzweg

Jack Taylor auf dem Kreuzweg

Titel: Jack Taylor auf dem Kreuzweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Bruen
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sich.
    »Nein, noch nicht. Das Warten macht einen kirre. Immer wenn die Post kommt, fragt man sich, ob ein Brief dabei ist, der das ganze Leben verändern wird.«
    Ich sagte etwas, von dem ich nie gedacht hatte, dass ich es zu ihr sagen würde, sagte es in nachgemachtem amerikanischem Tonfall, damit es nicht so heftig klang.
    »Ich werde Sie beschützen.«
    Und ich schwöre bei Gott, ich dachte, sie fängt mir an zu weinen. Aber sie ging zur Tür, sagte: »Das weiß ich, Jack.«
    Ich war in der Kirche.
    Wenn man katholisch ist, wächst man so auf, dass man die Kirche für eine Stätte der Zuflucht hält. Bei den ganzen Skandalen der letzten Zeit war sie allerdings weniger ein sicherer Hort als die Höhle des Löwen. Ich bin in die Kirche gegangen, weil es regnete. War am Dom vorbeigekommen, als sich die Schleusen des Himmels öffneten. Das war nicht der bekannte sanfte irische Regen, nein, hier hatten wir einen Wolkenbruch biblischen Ausmaßes, die Sorte, die einen bis tief ins innerste Mark durchnässt. Das Seitenportal war abgeschlossen, sehr einladend, und als ich den Vordereingang erreicht hatte, war ich bis auf die Haut eingeweicht und quengelte: »Scheiße mit Zwiebeln.« Das ist eine literarische Anspielung, James Joyce’ Lieblingsinterjektion, ehrlich jetzt.
    Ich tunkte die Finger ins Weihwasserbecken. Tunkte? Das Becken war knochentrocken – wenigstens etwas, eine Art ökumenischer Ironie. Ich also hinein in die Kirche, schüttelte mir den Regen von den triefnassen Klamotten, maulig wie nur was. Redete mir ein, dass es gut war, mal wieder in einem Gotteshaus zu sein, ein paar Kerzen für Cody, Serena May und die lange Liste meiner Toten zu entzünden. Hoffte, sie hatten mehr Kerzen als Weihwasser da.
    Früher hatte ich die Augustiner an meinen Kerzen verdienen lassen, aber die waren inzwischen Hightech geworden. Genau, Entflammen des Dochtes auf Knopfdruck. Das wirkt bei mir nicht, ich brauche das vollständige Ritual des dünnen Kerzchens, des Wachsdufts, wie die Kerze mählich Feuer fängt. Das behagt mir, das tröstet mich, das gibt mir das Gefühl, nicht alles ist käuflich.
    Ich steckte einen ganzen Haufen Kerzen an, stopfte einen Packen Geldscheine in den Kasten, sah den Kerzen beim Brennen zu.
    Hörte: »Eine Kerze ist ein Gebet in Aktion.«
    Drehte mich um und sah einen großen Pfarrer Ende sechzig, mit schneeweißem Haar und einem Gesicht, das weniger faltig war als ernstlich geknifft. Er war wie ein geistlicher Clint Eastwood.
    Ich fragte: »Sie glauben das?«
    War mir eigentlich scheißegal, was er glaubte, mit den Pfaffen war ich sowieso durch.
    Er sagte: »Ist doch eine schöne Vorstellung, finden Sie nicht?«
    Heute wollte ich mal nichts finden.
    »Kommen mir einfach nur wie Kerzen vor, die Dinger.«
    Das bedachte er in seinem Sinn, und dann erwischte er mich kalt, indem er fragte: »Möchten Sie Tee?«
    »Hat das euch Burschen nicht in die Bredouille gebracht? Solche Einladungen auszusprechen?«
    Er war nicht sauer, sagte: »Ich glaube nicht, dass ich mich an Ihnen vergehen werde.«
    Guter Beitrag.
    Bevor ich das sagen konnte, fügte er hinzu: »Ich trinke meinen Tee nur nicht gern allein, und ich dachte mir, nass, wie Sie sind, wollen Sie mir vielleicht Gesellschaft leisten.«
    Ich hörte es immer noch draußen pladdern und sagte: »Warum nicht?«
    Er führte mich in die Sakristei, und dort gab es eine kleine seitliche Nische. Er machte die Tür zu, begann mit dem Teekram. Er lud mich ein, Platz zu nehmen, also setzte ich mich – auf einen harten Stuhl, obwohl daneben ein weicher, gut abgewetzter Lehnsessel stand.
    Er fragte: »Die bequemere Option ist nichts für Sie?«
    Priester, man muss vor ihnen auf der Hut sein, heimtückisch stellen sie befrachtete Fragen.
    Ich sagte: »Ich dachte, das ist Ihrer.«
    Das Wasser kochte, der Kessel machte ein Geräusch wie Freundschaft, für mich ein seltenes Geräusch.
    Er sagte: »Wenn ich mal raten darf, wählen Sie meistens den steinigeren Pfad.«
    Wie ich schon sagte, heimtückisch.
    Er wärmte die Tassen vor – kriegt man sonst auch nicht mehr zu sehen – und verwendete dann richtigen Tee, Lipton’s, wenn schon, denn schon, verteilte ein paar Hobnob-Kekse auf einem Teller, die Sorte, bei denen die eine Seite mit Schokoladenüberzug ist. Ich weiß nicht, bereits das nahm mich für ihn ein. Er stellte den Teller auf einen kleinen Tisch, drängte: »Hauen Sie rein.«
    Ich fragte: »Wie nenne ich Sie?«
    Er wischte sich Krümel vom Mund, streckte

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