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Jack Taylor auf dem Kreuzweg

Jack Taylor auf dem Kreuzweg

Titel: Jack Taylor auf dem Kreuzweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Bruen
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rasch.
    Er sagte: »Man hört ja überaus Seltsames von Ihnen.«
    Wollte ich es wissen?
    Ich riskierte es, fragte: »Zum Beispiel?«
    »Dass Sie nicht mehr trinken, dass Sie seit sieben Ewigkeiten kein Getränk mehr angerührt haben.«
    In Irland ist das tatsächlich überaus seltsam.
    Ich sagte: »Ja, ist ein Weilchen her.«
    Säufer hassen es, einen aus der Bande einzubüßen. Das ist bedrohlich, das bedeutet, dass es einen selbst auch treffen könnte.
    Entsetzlicher Gedanke.
    Er fragte: »Und wie kommen Sie damit zurecht?«
    Ja, aber ganz prima, eine Freude pro Minute.
    »Geht schon, wenn man sich erst mal dran gewöhnt hat.«
    Von wegen.
    Er kratzte sich am Kopf, fasste nach: »Was machen Sie mit der, Sie wissen schon, ganzen gewonnenen Zeit?«
    Ich hatte keine Ahnung.
    Ich sagte: »Ich lese viel.«
    Er begann sich zu entfernen, sagte: »Sie armes Schwein.«
    Amen.
    Ich machte einen kleinen Stadtrundgang. Amerika kam immer näher, und vielleicht würde ich diese Straßen nie wieder bewandeln. Ich ging in Richtung Josephskirche, in der Presentation Road. Mein Vater hatte mir erzählt, wie die Black and Tans und das reguläre britische Militär vor dieser Kirche in Stellung gegangen waren, in der man Pater Griffin als Vergeltungsmaßnahme erschossen hatte. Der Mord an Priestern gehörte nicht zu unserer Geschichte. Was jetzt anders war: dass wir heutzutage keine Besatzungsarmeen mehr für so was brauchten. Wir übernahmen das selbst.
    Pater Griffins Trauerzug im Jahre 1920 hatte die Mill Street verlassen und die O’Brien-Brücke überquert, und es gab immer noch alte Leute, die schworen, dass, als der Leichenwagen die Mitte der Brücke erreichte, drei Lachse aus dem Wasser sprangen, einen Moment lang mitten in der Luft verharrten wie aufgehängt und dann anmutig zurückglitten. Man sieht die Lachse nicht mehr springen, das Gift im Wasser hat sie träge gemacht, wie die Bevölkerung auch. Mein Dad, als er mir das erzählte, die Augen nass, sagte, der Kutscher des Leichenwagens habe Zylinder und Schärpe getragen, obwohl das verboten gewesen sei. Damals wie jetzt sehe ich diesen Mann vor mir, einen Helden seiner Überzeugungen. Eine Woche später wurde er erschossen.
    Fragt man die jungen Leute, wer Pater Griffin war, sehen sie einen so an: »Ey, Alter, ich kenn keine Priester.«
    Ich fand das Haus in der Father Griffin Road ohne Schwierigkeit. Es ist eine enge Straße, und früher war das hier echtes altes Galway. Aber was war das früher nicht?
    Jetzt sah man hauptsächlich ZU-VERKAUFEN -Schilder. Ich musste mich richtig in Acht nehmen. Wenn mich jemand von der Familie sah, war ich echt im Arsch. Das Haus war ziemlich in der Mitte, schien ruhig, nichts bewegte sich.
    Ich fuhr zusammen, als ein Typ mich ansprach, fragte: »Suchen Sie jemanden?«
    Ich drehte mich um und sah einen Mann in den Siebzigern, mit einem Hund an der Leine – hätte ihm fast gesagt, er solle nicht bis Newcastle Gassi gehen. Er wirkte helle, aufgeweckt, und sein Akzent war von hier.
    Ich sagte: »Ich hatte überlegt, ob ich mir ein Haus kaufe.«
    Er sah das Haus an, sagte: »Dieses ist an eine englische Familie vermietet, aber die anderen, weiter unten, die sind zu verkaufen. Kosten natürlich eine Kleinigkeit.«
    »Wie sind die Engländer so?«
    Sein Gesicht legte nahe, dass dies wirklich eine dumme Frage war.
    »Sie sind höflich … aber nett? Briten eben, wissen nicht, wie nett geht.«
    Und mehr hatte er zu dem Thema nicht zu sagen. Ich dankte ihm, begann weiterzugehen.
    Er fügte hinzu: »War früher eine richtig schöne Straße. Aber war das nicht überall so?«
    Zu Hause sah ich den Mann, der Pater Griffins Leichenwagen kutschiert hatte, lebhaft vor meinem geistigen Auge, besonders, ich schwör’s, als ich die Glock ein paarmal ungeladen abfeuerte und mir dabei vorstellte, ich schösse auf Gail. Stewart hatte recht – das Gefängnis war für sie nicht das Geeignete. Aber dies?
    Mein Telefon klingelte. Gina, die Ärztin, erkundigte sich, wie meine Hände heilten. Ich sagte, sie würden immer besser, und dann war Schweigen. Ich vermute, das war genau der Zwischenraum, in den hinein ich sie hätte fragen sollen, ob sie vielleicht möglicherweise Lust hat, mit mir essen oder sonst was zu gehen. Ich wollte fragen, aber ich konnte nicht. Ich sagte, ich würde sie ganz bald anrufen, sobald ich ein paar Einzelheiten geklärt hätte. Genau, eine junge Frau umgebracht, zum Beispiel. Ich merkte an ihrer Stimme, dass sie nicht glaubte, ich

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