Jack Taylor fährt zur Hölle
betrachtete ich einen Anstecker an ihrer Bluse. Eins dieser gottverschissenen Smiley-Dinger. Mit der Bildunterschrift:
»Put on a happy face«.
Ich hätte es ihr frohen Herzens herunterfetzen und sie zwingen können, es zu fressen. Sie zeigte auf Undinchens Diät-Coca, fragte:
»Kann das weg?«
»Oh ja.«
Sie hielt inne, und ich wusste, dass sie mich eingehend musterte. Ich sah nicht auf. Sie sagte:
»Kopf hoch, vielleicht passiert’s ja gar nicht.«
»Es ist bereits passiert.«
Setzte sie matt, aber nicht lange. Sie hätte in der Politik was werden können. Sie sagte:
»Man weiß nie, was gleich um die Ecke kommt.«
Jetzt sah ich doch auf, nagelte sie mit allem, was ich empfunden hatte, fest, sagte:
»Wenn es auch nur die mindeste Ähnlichkeit mit meiner Vergangenheit aufweist, und sei die Ähnlichkeit auch noch so entfernt, bin ich ernsthaft im Arsch.«
Sie machte, dass sie wegkam. Rasch.
Bill Cassells Beerdigung rangiert unter den elendesten, die ich je erleben durfte, und ich habe weiß Gott ein gerüttelt Maß an Beisetzungen hinter mir, alles von fröhlich über mitleiderregend bis hin zu schlicht traurig. Aber was das schiere Elend betrifft, war diese der Gipfel.
Ein grausiger Tag, die Sorte strömenden Regens, die einen durch und durch aufweicht. Man spürt, wie er in den Nacken träufelt, die Beine hinunterrinnt, die Socken bis zum Überquellen nässt. Er lässt nicht nach, die Kälte ist grimmig, und man versteht die wahre Bedeutung von »erbärmlich«. Insgesamt vier Menschen am Grab. Der Priester, P. Malachy, der versucht hatte, sich eine Zigarette anzuzünden. Er war gescheitert. Ein Totengräber und eine winzige gebrechliche Frau. Ich war Nummer vier. Malachy hudelte durch irgendeinen inhaltsleeren Psalm. Ich half dem Totengräber beim Hinunterlassen des Sarges. Er grunzte vor Anstrengung. Ich fragte:
»Seid ihr nicht normalerweise zu zweit?«
»Bei dem Wetter wollte er nicht raus.«
Und er konnte auch nicht viel. Die Seile schnitten mir in die Handflächen, und zwei Fingernägel brachen mir ab. Als wir fertig waren, trat die Frau vor, ließ eine einzige weiße Rose hinunterflattern. Ich ging zu ihr, fragte:
»Maggie?«
»Ja?«
»Sie sind Bills Schwester?«
Sie zuckte vor mir zurück, als wollte ich sie tätlich angreifen. Ihre ganze Haltung war die eines geprügelten Hundes. Sie hatte nicht nur die Körpersprache eines Opfers, sondern ihre Augen sagten, dass sie in der Furcht vor weiterer Bestrafung lebte. Ich versuchte, so unbedrohlich zu wirken, wie ich konnte. Nicht leicht, wenn man in einen Polizeimantel gemummelt, durchnässt und neunzig Zentimeter von einem offenen Grabe entfernt ist. Sie antwortete:
»Ja.«
Als hätte sie sich schuldig bekannt.
Ich streckte die Hand aus, sagte:
»Jack Taylor.«
Langsam kam ihre Hand meiner Hand entgegen, und sie fragte:
»Waren Sie Bills Freund?«
Sie hatte große Untertassenaugen; sie waren nie mit Tücke oder Arglist in Berührung gekommen. Ich wollte einen solchen Menschen nicht schamlos anlügen und sagte:
»Wir sind zusammen zur Schule gegangen.«
»Bill hat die Schule nicht gemocht.«
»Ich auch nicht.«
Dies schien ihre Befürchtungen zu mildern, und sie sagte:
»Sie waren so gut, zu kommen, und das an einem solch jammervollen Tag.«
Ich hatte keine wahrheitsvolle Erwiderung. Malachy berührte mich an der Schulter, fragte:
»Ganz kurz?«
Ich sagte zu Maggie:
»Entschuldigen Sie mich einen Moment.«
Und ich wandte mich ihm zu, sagte:
»Was?«
Er zuckte zurück. Heiland, jeder zuckte zurück. Meine Ausstrahlung muss tödlich gewesen sein. Er sagte:
»Ich bin überrascht, dass du hier bist.«
»Als ginge Sie das was an.«
Er unternahm eine vergebliche Anstrengung, sich Regen aus dem Gesicht zu wischen. Sogar sein Priesterkragen war durchnässt. Er sagte:
»Deine Mutter hatte einen Schlaganfall.«
»Ach ja?«
»Lieber Gott, Mann, mehr hast du dazu nicht zu sagen?«
»Wo ist sie?«
»Sie ist jetzt wieder zu Hause. Wirst du sie besuchen?«
»Ich werde darüber nachdenken.«
»Du hast das Herz des Teufels.«
»Danke.«
Ich wandte mich Maggie zu. Sie starrte zutiefst untröstlich das Grab an. Ich hätte ihren Arm genommen, aber dann wäre sie bestimmt gesprungen. Ich sagte:
»Maggie, kann ich Ihnen ein Taxi besorgen?«
»Nein, nein, ich habe ein Auto.«
Sie sah mein Erstaunen, sagte:
»Bill hat es gekauft. Er hat mich gezwungen, Fahrunterricht zu nehmen. Ich war nicht sehr gut und hätte aufgegeben, aber
Weitere Kostenlose Bücher