Jack Taylor liegt falsch

den Küchenschrank, holte das poitín heraus, und es klingelte an der Haustür. Ich sagte:
    »Scheiße.«
    Stampfte hinaus und riss die Tür auf. Es war Brendan Flood, Ex-Polizist, religiöser Spinner, Großmeister der Information. Ich sagte zähneknirschend:
    »Ich hab schon im Büro gespendet.«
    Er brauchte eine gewisse Zeit, dann:
    »Ich bettle nicht.«
    Ich ging an ihm vorbei, warf einen prüfenden Blick auf die Haustür. Er sah mich fragend an. Ich sagte:
    »Ich dachte, vielleicht ist draußen ein Schild angebracht, auf dem ›Arschlöcherkongress‹ steht.«
    Ging hinein, führte ihn ins Wohnzimmer. In der Küche stand neonbeleuchtet das poitín. Ich fuchtelte in Richtung Sofa, und er setzte sich. Er hatte eine abgenutzte Aktentasche dabei, die er sich auf die Knie stellte. Er sagte:
    »Sie sehen besser aus, Jack Taylor.«
    »Anständige Lebensführung.«
    »Unsere Gebete wirken, halleluja.«
    »Was wollen Sie?«
    Er öffnete die Aktentasche, begann, in Papieren zu blättern, sagte:
    »Über forensische Psychologie werden Sie Bescheid wissen.«
    »Nicht gut.«
    »Trotz des mangelnden Interesses der Polizei an der Ermordung der jungen Männer war ein Forensiker davon so fasziniert, dass er eine eigene Untersuchung durchgeführt hat.«
    »An allen Leichen?«
    »Ja.«
    »Warum hat er sich die Mühe gemacht?«
    »Er schreibt ein Buch.«
    »Und Sie kennen ih n … woher?«
    »Er ist in unserem Gebetskreis.«
    »Klar.«
    »Und dies hat er herausgefunden:
    ›Der Mörder ist männlich, Anfang 30, Junggeselle, Einzelkind. Sehr hoher IQ . Handwerker. Fährt umgebauten Lieferwagen. Als Kind müsste er Tiere gequält haben. Hat früh gelernt, sich zu tarnen. Als Heranwachsender muss er kleinere Zusammenstöße mit dem Gesetz gehabt, aber aus seinen Fehlern gelernt haben. Irgendwann dürfte er einen Mann ernsthaft tätlich angegriffen haben. Wenn man ihm persönlich begegnet, wird er höflich sein, sich gewählt ausdrücken, aber nichts empfinden. Er ist einfach nicht anwesend. Reue ist ihm fremd. Er neigt zu Bombast und versteckter Feindseligkeit. Die psychiatrische Bezeichnung dafür ist narzisstische Persönlichkeitsstörung und mangelnde Impulskontrolle. Gewalttätigkeit unvermeidlich. Sexuelle Befriedigung erfolgt durch erste Tötung. Unfähig, danach aufzuhören.‹«
    Flood hielt inne und fragte:
    »Könnte ich bitte ein Glas Wasser haben?«
    Von Kopf bis Socke Richard Dreyfuss im Weißen Hai. Ich holte das Wasser, spielte mit dem Gedanken, es mit einem Schuss poitín aufzumotzen, ließ es dann aber. Als ich ihm das Wasser überreichte, zitterte seine Hand. Ich sagte:
    »Heiland, diese Scheiße geht Ihnen ja wirklich an die Nieren.«
    »Bitte, fluchen Sie nicht. Ja, das Böse stört mich.«
    Ich setzte mich, zündete mir eine Fluppe an, sagte:
    »Überaus eindrucksvoll, aber was lernen wir daraus? Ich weiß bereits, wer der Mörder ist.«
    Er trank gierig von seinem Wasser, stieß auf, sagte:
    »Ah, Mr Bryson. Deshalb bin ich hier. Ich bin mir nicht sicher, ob er in das Profil passt.«
    »Scheiß aufs Profil. Was glauben Sie, wo Sie sind? In Quantico? Wachen Sie auf. Sie sind ein Ex-Bulle ohne Zukunft, der den Ermittler spielt. Glauben Sie mir, ich weiß, wie traurig so was ist. Sie beten, ich saufe, und möge jemand mit unseren elenden Seelen Erbarmen haben.«
    Mein Ausbruch machte ihn fassungslos. Er setzte sich auf dem Sofa zurück, als hätte ich ihn geschlagen. Hatte ich ja auch gewissermaßen. Dauerte etwas, bevor er sprach. Dann:
    »Mir war die Tiefe Ihrer Bitterkeit nicht klar. Es tut mir leid, dass Sie so verzweifelt sind.«
    »Kopf hoch, Flood, ich brauche Ihren Kummer nicht.«
    Er atmete tief ein und sagte:
    »Jack, diese Einschätzungen sind geradezu unheimlich akkurat.«
    »Und?«
    »Wenn es Bryson wäre, wäre er nicht abgehauen.«
    Ich stand auf, sagte:
    »Er ist es.«
    Er stand auf, ersuchte mich:
    »Jack, hören Sie zu, bitte. Sie haben diesen Freund, den englischen Polizisten, bringen Sie ihn dazu, dass er Brysons persönlichen Hintergrund ausforscht, dass er prüft, ob er ins Profil passt.«
    »War sonst noch was?«
    »Jack!«
    Ich zeigte ihm die Tür, sagte:
    »Sagen Sie Ihrem Freund, ich werde das Buch kaufen.«
    »Sie haben ein hartes Herz, Jack Taylor.«
    »Das höre ich immer wieder.«
    Und ich machte die Tür zu.
    An jenem Nachmittag klingelte das Telefon ständig. War doch mir so wurscht. Ich war jenseits des Besten, was Roscommon zu bieten hat.

»An dem Tag wirst du beginnen, die