Jackpot - wer traeumt, verliert
kann mir vorstellen, wie die reagieren, wenn die ein paar Friedhofsschänder in flagranti ertappen! Wir warten, bis sie zum Grab marschieren, dann gehen wir auch los.«
»Okay«, sagte Sabrina. »Okay.«
Kriebl nahm ihre Hand. »Keine Sorge. Wir haben es bis hierher geschafft. Den Rest schaffen wir auch noch.«
»Ja«, sagte Sabrina.
»Es tut mir leid wegen vorhin. Das war kein schöner Anblick. Aber es war nötig.«
»Ja«, sagte Sabrina – und Chris hätte ihr am liebsten auf den Rücken gekotzt. Diese Schlampe!
Anfangs hatte er noch gehofft, sie würde dem Typ nur vorspielen, dass sie auf seiner Seite war. Mittlerweile war er sich sicher, dass sie tatsächlich auf Kriebls Seite war. So schnell kann es also gehen. Kaum war der eine weg, lag sie dem anderen schon in den Armen. Er hatte von Anfang an kein gutes Gefühl gehabt bei ihr – und er hatte von Anfang an recht gehabt.
Oh Mann. Mit dem ganzen Geld hätten sie sich keinen Stress mehr machen müssen – von wegen Jobsuche, Miete zahlen, Rechnungen und dem ganzen Scheiß. Vielleicht wären sie sogar woandershin gezogen. Nach Köln oder Berlin – in Berlin fällt man wahrscheinlich am wenigsten auf. Noch mal ein Neuanfang, ein kleiner wenigstens, sie hätten nicht angegeben mit der Kohle. Sie hätten ja auch immer aufpassen müssen.
Sie hätten einfach nur – ausgesorgt gehabt. Hätten wieder durchatmen können.
Und dann kommt auf einmal dieser Penner daher!
Sabrina hielt die Luft an und konzentrierte sich auf ihren Herzschlag, um die Panik zu unterdrücken, die wieder in ihr aufstieg. Sie durfte nicht die Nerven verlieren, sie musste sich zusammenreißen. Matthias war eine tickende Zeitbombe. Aber vielleicht konnte sie den Knall noch etwas hinauszögern, dachte Sabrina, damit wenigstens Chris sich retten konnte.
Chris – der hinter ihr saß und dessen Hass sie förmlich spüren konnte, auch ohne sein Gesicht zu sehen. Sabrina atmete seufzend aus.
»Alles klar?«, fragte Matthias neben ihr.
»Ja. Ich wünschte nur, die –« Sabrina brach mitten im Satz ab. Auf einmal kam Bewegung in die Soldaten etwa hundert Meter vor ihnen.
»Die haben Gewehre!«, sagte Sabrina.
Die Männer stellten sich in einer Reihe auf – dann rief einer, als würde er mit einer Peitsche schnalzen: »AAACH-TUNG! STILLGESTANDEN!« Und mit einem lauten Klack, das zehn kleine Echos aussandte, erstarrten die Männer plötzlich.
»Aber wahrscheinlich keine scharfe Munition«, sagte Matthias.
Kurz darauf hieß es im Kommandoton: »LIIIIINKS – UM! IM GLEICHSCHRIIIIITT – MARSCH!« Und die Soldaten setzten sich in Bewegung. Erstaunlich schnell marschierten sie durch das Friedhofstor und waren verschwunden.
»Na los!« Kriebl öffnete die Fahrertür und stieg aus. Dann zog er die Tür hinten auf und sagte zu Chris: »Raus mit dir!«
Sabrina stieg auf der anderen Seite aus dem Taxi und konnte durchs Fenster sehen, wie Chris mühevoll auf die Fahrerseite rutschte und dann von Matthias gepackt und nach draußen gezerrt wurde.
»Du hast deinen Bruder gesehen!«, sagte Matthias. »Das ist nichts gegen das, was ich mit dir machen werde, wenn du irgendwelche Späßchen vorhast! Hast du verstanden?«
Chris spuckte auf den Boden, als würden die Fesseln an seinem Rücken ihn überhaupt nicht behindern. »Keine Sorge, mir ist grad nicht nach Lachen zumute.«
Sabrina konnte sehen, dass es nicht mehr lange dauerte, bis Matthias die Hand ausrutschen würde. »Hörst du das?«, fragte sie. Sie hatte auf einmal diesen blassen Ton in ihren Ohren, ganz leise, nur den Anflug eines Pfeifens, wie wenn man aus einem Zimmer mit sehr lauter Musik nach draußen in die Stille kommt.
»Was?«, fragte Matthias.
»Ich weiß nicht, irgendwas –« Dann wusste sie, was für ein Ton das war. Sie hatte ihn schon einmal gehört. Als sie vor drei Tagen im Kofferraum darauf gewartet hatte, dass die Polizei kommen würde.
»Nichts, wahrscheinlich nur die Autobahn«, sagte sie.
Matthias nickte, dann gingen sie unter den turmhohen, kahlen Bäumen der Allee entlang zum Friedhofstor. Matthias gab das Tempo vor: Er ging schnell, aber ohne zu laufen. In der einen Hand hatte er die Pistole, mit der anderen hielt er den gefesselten Arm von Chris umkrallt und schob Chris vor sich her. Sabrina selbst ging etwa zwei Meter neben den beiden her.
Zuerst sah sie nur einen Schatten – etwas Dunkles, das sich in der Dunkelheit bewegte. Dann nahm der Schatten Gestalt an, und Sabrina fragte sich, ob das noch ein
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