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Jackpot - wer traeumt, verliert

Jackpot - wer traeumt, verliert

Titel: Jackpot - wer traeumt, verliert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Knoesel
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Es war einfach unglaublich. Wie oft denn noch? Marvins Gürtel – gestern Abend im Heizungskeller – hatte sich um einiges bequemer angefühlt.
    Und dort war es wenigstens warm gewesen. Das Thermometer auf dem Armaturenbrett zeigte minus elf Grad an. Die Atemwolke, die Kriebl auf dem Fahrersitz ausstieß, war wieder fast so dick wie Zigarettenrauch. Auch am Fenster auf seiner Seite hatten sich an den Rändern schon Eisblumen gebildet.
    Die Nacht war klar und hier vor der Stadt konnte man sogar die Sterne sehen. Der Friedhof Hochmutting war der einzige dunkle Fleck inmitten der Schneeflächen rundherum – die im Sommer Mais- und Weizenfelder waren, in jeder Himmelsrichtung eingezäunt von Waldstücken. Nur an der Stadtgrenze durchschnitt wie eine dicke Narbe die hier achtspurige Autobahn diese Idylle.
    Sie waren über die Fußgängerbrücke hergefahren, die bei ihnen hinter der Kirche über die Autobahn führte – weil Chris wusste, dass die alte Schranke dort nicht abgeschlossen war. Das war ihm im Sommer schon aufgefallen, als er noch jeden Tag mit dem Fahrrad zum Friedhof gefahren war, um nach seinem Vater zu sehen. Der hatte sich damals von dem Grab kaum wegbewegt.
    Doch die Zeitersparnis, die diese Abkürzung ihnen gebracht hatte, war inzwischen mehr als aufgebraucht. Sie standen jetzt schon eine ganze Weile am Straßenrand der Allee, die zum Friedhof führte. Als Kriebl den Transporter vor dem Haupttor bemerkt hatte, war er sofort rechts rangefahren und hatte die Scheinwerfer ausgeschaltet.
    Es war nur logisch, dass es hier zu Ende ging, dachte Chris. Am Anfang hätte sein Vater wahrscheinlich auch neben dem Grab kampiert, wenn man ihn gelassen hätte. Dies war nicht nur der Friedhof, wo seine Frau jetzt lag; es war auch der Ort, wo er sie kennengelernt hatte. Beide hatten dort früh ihre Eltern begraben müssen – die Großeltern kannten Chris und Phil nur aus Erzählungen, den Friedhof dafür schon, seit sie denken konnten.
    Er war nie ein düsterer Ort für sie gewesen. Hier war ihre Familie entstanden. Wo der Tod wohnt, hatten sie als Kinder Verstecken gespielt. Den Tod kennengelernt hatten sie erst vor einem Dreivierteljahr durch den Verlust ihrer Mutter.
    Chris beugte sich ein wenig nach links, an der Lehne des Beifahrersitzes vorbei, auf dem Sabrina saß, die kleine Schlampe. Obwohl, klein war hier vielleicht nicht das richtige Wort. Chris sagte: »Sie haben versprochen, ich kann einen Arzt rufen für meinen Bruder, wenn ich Ihnen gezeigt habe, wo das Geld ist!«
    »Bisher hast du mir nur gesagt, wo es ist«, antwortete Kriebl.
    »Hören Sie, mir ist es egal, dass da vorne ein VW-Bus voll Soldaten rumsteht!«
    »Das glaub ich dir nicht«, sagte Kriebl. »Ich glaub eher, du freust dich sogar ein bisschen darüber.«
    Vielleicht würde ich das sogar, dachte Chris. Aber nicht jetzt. »Ganz ehrlich?«, sagte er. »Wenn ich aus dieser Scheiße hier rauskomme und Sie nicht mehr sehen muss, wenn ich meinen Bruder heil aus dem Krankenhaus abholen kann – erst dann freue ich mich wieder!«
    Kriebl drehte sich auf dem Fahrersitz zu ihm nach hinten um. Er wartete einen Augenblick, bis er ohne Regung im Gesicht sagte: »Du traust dich was, Kleiner! Aber jetzt mach dir mal nicht in die Hose. Dein Bruder hat eine schwere, aber behandelbare Gesichtsverletzung. Es wäre schon ein unglücklicher Zufall, wenn er daran stirbt.«
    »Soll mich das jetzt trösten?«
    »Ich versteh das einfach nicht!«, fuhr Sabrina dazwischen. »Was bitte machen diese Soldaten am ersten Weihnachtsfeiertag um die Uhrzeit auf dem Friedhof?«
    Chris zählte insgesamt elf Mann, den Fahrer mitgerechnet, der keine Uniform trug.
    »Ich schätz mal, die wollen ihre Aufwartung machen«, sagte Kriebl. »Am Grab eines Kameraden, der vor Kurzem gefallen ist. Inoffiziell. Manche Familien sind bei der Beerdigung nicht gerade scharf auf die Anwesenheit der Bundeswehr.«
    Chris beugte sich wieder nach vorne. »Hören Sie, ich will ja nicht drängeln. Aber ist die Polizei nicht hinter Ihnen her? Dieses Taxi hier lässt sich doch sicher über GPS orten!«
    »Danke der Nachfrage, aber ich habe extra darauf geachtet, mir ein altes Fahrzeug zu besorgen!«
    Chris ließ sich stöhnend zurück in den Sitz fallen. Sabrina sagte: »Und wenn wir irgendwo über die Mauer klettern?«
    »Sabrina!«, entgegnete Kriebl ruhig. »Da vorne stehen zehn Mann in Uniform, die gerade ziemlich sauer sind, weil so ein Gotteskrieger einen der Ihren in die Luft gesprengt hat. Ich

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