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Jacob beschließt zu lieben - Roman

Jacob beschließt zu lieben - Roman

Titel: Jacob beschließt zu lieben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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stattgefunden hatte. Ein opportunistischer Hunger diesmal.
    Ich war erleichtert, als ich plötzlich unter einem Schild stand, das auf eine Kneipe im Innenhof verwies. Bis auf eine Gestalt, einen Schatten in einer Ecke des Raums, um die ich mich nicht weiter kümmerte, und den Wirt war niemand da. Der Wirt wusch Geschirr und kniff die Augen zusammen, als er mich sah.
    «Wir haben noch lange nicht geöffnet», murrte er.
    «Ich muss unbedingt etwas essen.»
    «So wie du aussiehst, willst du eher saufen.» Er trocknete sich die Hände ab und kam hinter dem Tresen hervor.«Du siehst nicht so aus, als ob du Geld zum Essen hättest.»
    «Ich habe gar kein Geld.»
    Im selben Augenblick schoss seine Hand auf mich zu und versuchte, mich am Kragen zu packen. Ich wich ihr aus, dann packte ich ihn am Handgelenk. «Ich brauche nur ein Stück Brot, dann bin ich wieder weg.»
    Als der Wirt nun mit der anderen Hand nach mir griff, ging ein leises Pfeifen durch den Raum. Es war kaum hörbar und doch präzise und klar. Es bremste seine Hand mitten in der Luft. Der Wirt schaute unschlüssig zum Schatten hinüber, und als ich mich umdrehte, erkannte ich einen etwa dreißigjährigen Mann, der ein wenig ins Licht gerückt war, damit wir ihn sehen konnten. Seine Arme lagen entspannt auf dem Tisch, den er ganz nah an sich herangezogen hatte.
    «Viorel, der Mann hat Hunger. Wieso willst du ihn rausschmeißen? Hast du noch nie Hunger gehabt?», fragte er. Der Wirt zuckte mit den Achseln. «Ich schon, und ich sage dir, das ist kein angenehmes Gefühl. Wenn mir also einer sagt, dass er Hunger hat, Viorel, dann gebe ich ihm zu essen. Du solltest dasselbe tun, vor allem wenn ich bezahle. Bring ihm auch etwas von der Brühe, die du Kaffee nennst. Setz dich doch hierher zu mir», forderte er mich auf.
    Der Wirt machte sich an die Arbeit. Ich widerstand dem ersten Impuls wegzulaufen. Der zweite war mächtiger, nämlich zu essen und das Schwindelgefühl loszuwerden. Ich setzte mich neben ihn an den Tisch, was ihn zwang, sich zur Seite zu drehen. Für einen Moment hatte ich den Eindruck, dass mit seinem Körper etwas nicht stimmte. Der Mann kippte beinahe um, doch er stemmtedie Arme auf die Bank, auf der er saß, und konnte sich wieder fangen. Ich packte die Tischkante, damit meine Hände nicht mehr zitterten.
    «Du brauchst nicht zu zittern. Viorel tut dir jetzt nichts mehr», sagte er.
    «Das ist der Hunger», antwortete ich.
    «Wenn ich früher Hunger gehabt habe, sind meine Hände ganz ruhig geworden. Aber ich habe sie gebraucht, wenn du mich verstehst.» Er zwinkerte mir zu und lachte. «Ich habe damit so viele Geldbeutel herausgezogen, das glaubst du gar nicht.»
    Er hielt sich die Hände vors Gesicht und betrachtete sie zufrieden. Schon wieder schien er zu kippen, doch er konnte sich rechtzeitig abstützen. Ich war erleichtert, denn er war ein Krimineller, ein Ganove, und auch wenn Ganoven denunzierten, dieser hier schien damit nur prahlen und dafür einen Zuhörer bezahlen zu wollen. Ich sollte mich täuschen.
    Er wurde wieder ernst. «Wieso bist du so früh unterwegs?»
    Ich zögerte und wägte meine Antwort ab, dann räusperte ich mich. «Ich bin Arbeiter. Schichtarbeiter.» Gierig würgte ich das Essen hinunter, das mir der Wirt gebracht hatte, und trank von der ekligen Brühe.
    «Und ich habe dich für einen Schlaflosen gehalten. Dann arbeitest du in der Maschinenfabrik. Nur die hat Nachtarbeit eingeführt.»
    «Genau, dort arbeite ich.»
    Das karge Essen hatte meinen Hunger kaum gemildert. Ich wischte mir den Mund mit dem Ärmel ab, dann wollte ich zwischen den beiden Tischen hindurchschlüpfen, als der Mann mich am Arm packte. Sein Griff war geübt undfest, ganz anders als der des Wirtes. Er zwang mich dazu, mich wieder hinzusetzen.
    «Du hast auf meine Kosten gegessen und willst einfach so wieder gehen? Was kannst du schon für dringliche Geschäfte haben?»
    «Ich will mir etwas am Stadtrand anschauen.»
    «Am Stadtrand? Anschauen? Ich dachte, dass du schlafen willst, nach der Schicht.»
    Ich ging zur Theke und fragte den Wirt, ob er etwas zum Rasieren hätte.
    «Sieht das hier aus wie ein Gemischtwarenladen?», fragte er. Er drehte mir den Rücken zu und trocknete mit einem löchrigen, speckigen Tuch das Geschirr ab.
    «Viorel, das ist sicher kein Gemischtwarenladen hier, auch wenn du bestimmt mehr Geld damit machen würdest als mit dieser Kneipe. Aber wieso sagst du nicht unserem Gast, dass du nebenan wohnst und ihm gerne das Nötige

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