Jacob beschließt zu lieben - Roman
Lass uns mal nachschauen, wieso diese Uhr nicht mehr geht.» Stundenlangwären wir in unsere Arbeit vertieft gewesen, das Reparieren einer Uhr, das Zerlegen einer Fotokamera oder das Basteln an einem Radiogerät.
Doch mir wurde auch klar – ausgelöst durch einen dicken, bewaffneten Rumänen, der mich
Schweinehund
genannt hatte –, dass mir dasselbe auch in Triebswetter blühen könnte. Dass Vater mich ein zweites Mal vertreiben könnte, ganz ohne Grund, bloß weil er es schon einmal getan hatte. Weil er dieses erste Mal durch ein zweites Mal besiegeln und rechtfertigen könnte. Weil mich wieder aufzunehmen bedeuten würde, das Unrecht zuzugeben.
Ich wollte nicht mehr nachdenken, mich möglichst lange nicht mehr bewegen. Wäre ein Grab in der Nähe gewesen, so wäre ich hineingekrochen. Wie von weit her hörte ich Muscă sagen: «Schlafen kannst du auch bei mir zu Hause. Wenn wir hier noch länger bleiben, holt er die Miliz. Lass mich aufsteigen.» Widerspruchslos richtete ich mich auf, gehorchte seiner Aufforderung, dann brachen wir beide zur Elektrischen auf.
* * *
Ich wurde Muscăs Träger. Manchmal schien er so sehr mit meinem Rücken verwachsen zu sein, dass ich ihn erst wahrnahm, wenn er mich zwickte. Das war unser vereinbartes Zeichen, wenn er absteigen und betteln wollte, weil ihm die Umstände günstig dazu schienen. Am besten war es an den Wochenenden, wenn die Kaffeehäuser und die Kneipen im Stadtzentrum voll waren. «Wir müssen das letzte bisschen Christenseele in den Menschen anzapfen, bevor es sich die Kommunisten holen», sagte er.
In der ersten Nacht war ich aufgewacht und hatte vergessen, wo ich mich befand. Ich rief nach dem Popen, sowie damals, als ich fiebrig und verschwitzt in meinem Bett gelegen hatte. Muscă rauchte in einer Ecke. «Du bist hier bei Muscă, Junge, nicht bei irgendeinem Popen. Muscă hat dein Essen bezahlt, Muscă hat dich neu eingekleidet, und Muscă gibt dir eine Schlafstelle. Jetzt ist es an der Zeit, dass du etwas für Muscă tust. Aber wasche dir zuerst das Gesicht, damit du ganz wach bist, wenn wir unsere Vereinbarung treffen.»
Ich wusch mich und nahm das Glas Schnaps, das er mir hinhielt. Er warf den Zigarettenstummel in den Hof. Er bewohnte ein düsteres, feuchtes Zimmer im selben Haus, in dem auch die namenlose Kneipe war.
«Was für eine Vereinbarung?», fragte ich.
«Wer war dieser Pope, nach dem du gerufen hast?»
«Einer, der mir mal geholfen hat.»
«Damit wären wir schon zwei. Du bist ein Glückskind, Radu Obertin oder wie auch immer du heißen möchtest.» Er trank sein Glas aus und wischte sich den Mund mit dem Hemdsärmel ab. «Die Geschäfte gehen schlecht, seitdem mich Ticu verlassen hat. Seit einer Woche denke ich nur daran, wie ich ihn ersetzen kann, und da läufst du mir über den Weg. Als ich dich gesehen habe, habe ich gewusst, dass Gott gerecht ist, denn er hat dich geschickt.»
«Das hat der Pope auch gesagt», sagte ich.
«Hier ist mein Angebot: Du kriegst bei mir genug zu essen und das Sofa zum Schlafen, wenn du mir deinen Rücken borgst. Du bist kräftig, darauf habe ich schon geachtet.»
Ich begann mich eilig anzuziehen.
«Wo willst du hin? Du hast gesehen, dass niemand auf dich wartet», sagte er.
«Das ist nicht wahr.»
«Vielleicht oder vielleicht auch nicht. Bestimmt aber wird niemand auf dich warten, wenn ich bei der Miliz auspacke. Setz dich jetzt hin, und denk an die Deinen. Ich erwarte nicht, dass du mir ein Leben lang dienst, sondern nur, bis ich einen Ersatz für Ticu gefunden habe. Ein paar Wochen, es wimmelt ja vor hungrigen Männern in der Stadt.»
Anstatt ihn zu verprügeln, anzuschreien und zu verfluchen, anstatt mich aus dem Staub zu machen, dachte ich an die Meinen und blieb.
Wir wurden ein gutes Gespann. Zuerst setzte ich ihn in einer Seitenstraße ab, dann ging ich los, um zu prüfen, ob ein bestimmter Platz, ein bestimmtes Café gut besucht waren und ob vor allem Alte und Paare da waren. Sie waren Muscăs beste Kunden. Erstere, weil Muscă sie an Gott erinnerte, Letztere, weil sie ihn schnell loswerden wollten, um sich wieder ihrer unversehrten Welt zuzuwenden.
Ich schlich mich in die Oper oder ins Theater, um bei den Garderobenfrauen zu erfahren, wie lange die Aufführung noch dauerte. Kellner erzählten mir, ob eine bestimmte Hochzeitsgesellschaft spendabel war. Vor den Kirchen verschwendeten wir kaum noch Zeit, sie waren verwaist, nur die Popen steckten Muscă manchmal einige Münzen zu. Wir strichen
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