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Jacob beschließt zu lieben - Roman

Jacob beschließt zu lieben - Roman

Titel: Jacob beschließt zu lieben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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die Augen.
    «Du redest ja mit niemandem», erwiderte sie.
    «Mit dir würde ich gerne reden.»
    Für einen Augenblick wirkte sie verwirrt, dann aber fasste sie sich wieder. «Mutter sagt, dass du seltsam bist. Du bist jung und siehst gut aus, jedes Mädchen würde dich wollen, aber du willst Pope werden und Knochen tragen.»
    «Vielleicht auch nicht. Würdest du dann mit mir reden, wenn ich das nicht wollte?»
    Sie schwieg eine Weile und schien mit sich selbst zu kämpfen. «Nein, auch dann nicht. Du hast kein eigenes Haus und keinen eigenen Hof. Wenn du das nicht hast, wird hier kein Mädchen mit dir reden.» Sie machte auf den Fersen kehrt und wollte schon wieder weg, als sie sich an den Zweck ihres Besuchs erinnerte. «Mutter bittetPopa Pamfilie, zu uns zu kommen. Großmutter liegt im Sterben», fügte sie hinzu, dann lief sie davon.
    Ich sah sie von meinem Berg aus jede Woche mit dem Wäschekorb in den Armen. Manchmal pirschte ich mich näher an den Fluss heran, dann waren ihre nackten Knie und Schenkel, ihre Füße deutlicher zu sehen. Sie schien sich nicht mehr um mich zu kümmern, doch immer wieder war mir, als ob sie zum Berg herüberschielte. Katica hatte ich auf meine Art geliebt, nun war etwas anders als Liebe im Spiel. Das Begehren trug mich durch die Woche, und ich fieberte dem Tag entgegen, an dem ich sie wiedersehen würde.
    Ich wurde nachlässiger und flüchtiger, ich erfüllte meine Aufgaben ohne jene Überzeugung, die ich früher gehabt hatte. Die Säcke, die ich nach Hause trug, waren nur noch zur Hälfte gefüllt, und ich verbrachte immer weniger Zeit im Keller. Popa Pamfilie misstraute dem Ganzen. «Ich habe mich geirrt», sagte er eines Tages. «Nicht die Bücher sind die größte Gefahr, sondern die Frauen.»
    Als sich mein Zustand verschlimmerte, hatte er genug. «Man kann dich zu nichts mehr gebrauchen, Junge», murmelte er, als ich eines Abends gedankenverloren im Essen herumstocherte. Er zog sein Gewand über und ging aus dem Haus, ohne ein Wort zu sagen. Nach nur einer Stunde kam er etwas beschwipst zurück, ich stützte ihn, bis er sicher auf seinem Bett saß.
    «Die geben mir immer zu trinken. Wenn ich sie verheirate und wenn ich ihre Leute begrabe. Immer muss ich trinken. Nun ja, Junge, ich glaube, du musst dir das Mädchen aus dem Kopf schlagen. Sie mag dich, daran liegt es nicht. Aber sie ist einem versprochen, der ein feines Hausund ein bisschen Land hat. Unter uns gesagt», sagte er und zwinkerte mir zu, «das Haus wird er vielleicht auch noch in ein paar Jahren haben, aber das Land nehmen ihm die Kommunisten bestimmt bald wieder weg. Aber so etwas interessiert das Mädchen nicht. Für sie bist du ein Niemand, und mit einem Niemand spricht sie nicht. Und jetzt bring mir mal unseren Schnaps. Ich möchte zu Ende führen, was ich bei denen zu Hause angefangen habe.»
    Ich veränderte mich. Es gab wieder etwas, das mich zurück in die Welt zog, an meinen angestammten Platz. Denn einen Knochenträger würden die Frauen nicht wollen. Um einen respektablen Mann hingegen würden sie sich reißen. Einen Nachfahren jenes Obertins, der seine Leute auf der gefährlichen Donau geführt und ihnen ein zweites Leben ermöglicht hatte.
    So war es nicht Rache, die mich zurück nach Triebswetter bringen sollte, sondern der Wunsch, mir zu nehmen, was mir zustand. Ich nahm in Kauf, dass ich Vater dabei von meinen neuen Fähigkeiten überzeugen oder ihn gar bezwingen musste.
    Eines Tages hob Popa Pamfilie den vollen Sack auf seinen Rücken, machte einige Schritte und sank hin. Dann kippte er nach vorn, mit dem Gesicht auf die Erde, die ihn so lange beschäftigt hatte. Ich trug ihn auf den Armen nach Hause und rief die Baba und Gigi zusammen. Die Baba wusch ihn, sein faltenreiches Gesicht, seine verwelkte, verschrumpelte Haut, seine Füße mit den gelblichen Nägeln, dann zündete sie an allen vier Ecken des Bettes Kerzen an. Sie stellte ein Glas Wasser daneben, damit die Seele zu trinken habe. Ich weinte bitterlich.
    Gigi eilte nach Hause, um einen Sarg zu zimmern, einender besseren Sorte, betonte er. Drei Tage lang hielten wir die Totenwache, wechselten uns alle paar Stunden ab oder saßen still zusammen neben den Schuhen des Popen, die man zuerst poliert und ihm dann angezogen hatte. Im Dämmerlicht der Stube wirkte alles unwirklich, wie eine Szene aus einem der im Regal stehenden Romane. Erst wenn es fast vollkommen dunkel wurde, schalteten wir die Lampe ein.
    Einmal flüsterte Gigi mir zu: «Wirst

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