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Jacob beschließt zu lieben - Roman

Jacob beschließt zu lieben - Roman

Titel: Jacob beschließt zu lieben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Amerika sein. Als sie ihn wieder vor Nepers Haus abgesetzt hatte, fuhr sie nicht verweint und entsetzt davon. Sie strahlte sogar wie nach einem Sieg. Am nächsten Tag stand die Kutsche wieder da.
    Aber es war etwas Sonderbares geschehen. Jakob hatte bislang nicht nachgefragt, wie es um den Wiederaufbau des Hofes stand und um die Ernte auf dem Feld, die dringend eingebracht werden musste. Die Inbesitznahme von Elsa löste in ihm eine Betriebsamkeit aus, ein eigenartiges Interesse. Er hatte sich die Frau geholt, die er wollte. Dank seines Samens hatte er eine Verbindung zu ihr hergestellt, die für ihn stärker als das ganze Gerede war. Er hatte damit ihr Bündnis besiegelt.
    Er schickte Elsa wieder nach Hause und machte sich zuFuß zur Zigeunersiedlung auf. Außerhalb von Triebswetter, auf einem ausgedörrten, dornigen Hügel, von den Dorfbewohnern gemieden, lebten Zigeuner, manche seit Menschengedenken, andere wiederum kamen und gingen, wie die Wanderlust sie gerade packte.
    Einige Planwagen standen da, der prächtigste darunter gleich neben dem größten Haus der Siedlung. Jakob wusste, dass solche Zigeunerwagen nur in England und nur im Auftrag gebaut wurden und dass jenes Haus vermutlich dem
Bulibaşa
, dem Sippenersten, gehörte. Dazu gab es Zelte und viele Bretterbuden, schief und löchrig wie die Zähne im Mund eines Alten. Bestimmt hatte man sie nach dem letzten Sturm neu aufrichten müssen.
    Es waren mehrheitlich Kesselflicker, doch sie hätten ebenso gut geschickte Korbflechter, Besenmacher, Glaser, Schmiede oder Tischler sein können, wenn es die Situation erforderte. Einmal hatte ein Zigeuner, ein Laufbursche wie er, zu Jakob gesagt: «Die Schwaben wollen immer nur eines: so viel Land besitzen wie möglich. Wir wollen kein Land und sind schlechte Bauern, aber wir können Tausend andere Sachen. Da kann einer an einem Tag Kämme und Bürsten herstellen, am nächsten Schirme und Kleiderhaken reparieren, am dritten Tag Kessel flicken, am vierten klauen und betteln, am fünften Bären zum Tanzen bringen, am sechsten auf dem Markt seine Ware anbieten, tanzen und spielen, nur am siebten Tag müssen wir dasselbe tun wie alle anderen auch: beten.»
    Sie durften die Dorfgrenze nicht überqueren, außer sie hüteten Tiere oder boten an der Hauptgasse oder auf dem Wochenmarkt ihre Dienste an. Jeden Morgen um fünf Uhr ertönte in Triebswetter das Horn des Schweinehüters, der ein Zigeuner war.
    Jakob ging mit festen Schritten zur Hügelkuppe hinauf. Von den Lagerfeuern, wo die Frauen das Mittagessen zubereiteten, stieg Rauch auf. Er ging an einem jungen Mann vorbei, den er erkannte, weil er jede Woche ins Dorf kam und kaputte Eimer, Kessel und Töpfe einsammelte. Er und seine Frau, beide etwa sechzehn, saßen breitbeinig auf dem Boden, er scheuerte einen Topfboden mit Sand aus, dann klopfte er das Blech mit dem Hammer aus. Über dem Feuer leuchtete in einem Gefäß silbrig geschmolzener Zink. Seine Frau hielt ein Kind an der Brust, mit dem Fuß trat sie auf den Blasebalg. Mit jedem Tritt entfachte sie das Feuer aufs Neue.
    Einer der Jungen, die in der Nähe spielten, kam näher und sagte: «Nur ein Kanten Brot, ich sterbe vor Hunger.» Dabei schien er eher für später zu üben, als dass es ihm ernst war. Jakob schob ihn beiseite, immer mehr Kinder umringten ihn und sagten die immer gleichen Sätze. Sie trugen lose Baumwollhemden voller Flecken, und ihre Haare waren völlig zerzaust. «Hast du Flöhe?», fragte Jakob den einen. «Nein, ich habe Läuse. Flöhe habe ich im Winter.» Auf seiner Haut waren viele kleine blutige Wunden vom Kratzen.
    Er bereute es schon, hierhergekommen zu sein, bestimmt würde sich keiner finden, der über das Betteln und das Flicken von Kesseln hinaus richtig Hand anlegen wollte. Da kam ein bärtiger Mann aus dem Haus heraus, mit schwarzen Hosen, die in ebenso schwarzen Stiefeln steckten, und nur mit einer Weste über dem behaarten Oberkörper bekleidet. Büschel verschwitzter Haare klebten wie kleine Inseln auf seiner Haut, ein wahres Archipel.
    Er klatschte in die Hände, und die Kinder wichen zurück.Er blickte Jakob prüfend an, so wie er es mit einem Stück Vieh auch getan hätte. Oder mit einer Frau, die er besitzen wollte. Jakob wusste, dass von dieser Prüfung abhing, ob er überhaupt angehört oder ziemlich unsanft weggeschickt werden würde.
    Dieser Mann war ein anderes Kaliber als der Apotheker. «Wollen Sie etwas Geld verdienen?», rief er dem Zigeuner zu. Der Mann drehte sich

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