Jacob beschließt zu lieben - Roman
misstrauisch, auch wenn dieser seinen innigsten Wunsch bereits erfüllt hatte. Er führte den Hof gut, mistete den Stall aus und lud den Mist auf den Karren. Den von Bremsen und Fliegen geplagten Pferden wickelte er Tücher um die Augen und Nüstern.Er brachte den Mist auf das Herbstfeld und streute alles mithilfe der Tagelöhner aus. Eine Woche später wurden die Erde ein letztes Mal umgepflügt und der Weizen ausgesät. Daran war nichts auszusetzen, Jakob machte alles richtig, aber er war Niclaus trotzdem verdächtig.
Auch Niclaus hatte seine Frau nicht aus Liebe geheiratet, doch die Entscheidung der Eltern hatte sich als gut erwiesen. Dass ein Zeitungsartikel seine Tochter mit einem Fremden zusammenbringen sollte, über den sie so gut wie nichts wussten, das konnte er trotzdem nicht begreifen.
Eines Morgens waren Elsa und Jakob früh losgefahren, und als sie in der Stadt waren, gingen sie zuerst in den Hut-, danach in den Schuhladen. Zuletzt und mit mehreren Schachteln unterm Arm kamen sie auch bei Madame Liebmanns Schneiderei an. Elsa war schwer zufriedenzustellen, immer wieder musste man ihr neue Stoffe und Anzüge zeigen, immer wieder musste Vater sich aus- und wieder anziehen. Es sollte der einzige Tag in Vaters Leben sein, an dem er sich Mutter ganz überließ.
Sie zupfte an der Jacke oder an den Hemdsärmeln herum und streifte fast zärtlich über Jakobs Schultern. Die letzte Probe fehlte noch, die erfahrenen Blicke anderer Frauen. Das habe sie in Amerika gelernt, sagte sie und zog Jakob auf die Straße. Sie gingen auf und ab, bis zur nächsten Ecke und zurück. Manchmal hakte sich Elsa bei ihm ein, dann wieder ließ sie ihn allein gehen, während sie alles ganz genau beobachtete. Der Anzug schien zu gefallen, also bestellte sie noch weitere Kleidungsstücke und fuhr mit Jakob zum eigentlichen Ziel ihrer Reise in die Stadt.
Sie verlangte beim Portier, den Direktor der HöherenSchule für Elektrotechnik zu sprechen, und als dieser Elsas Namen hörte, holte er sie persönlich am Eingang ab. Der Direktor machte einen Bückling, als er Elsas Hand küsste, dann führte er sie über mehrere Flure in sein Büro. Natürlich kannte er Elsa Obertin. «Wie könnte man Sie nicht kennen? Alle Zeitungen haben über Ihre Rückkehr berichtet», sagte er. Er ließ Kaffee und Kuchen kommen.
Elsa schilderte ihm ihr Anliegen. Der Direktor sollte Jakob an seiner Schule aufnehmen, ohne seine Zeugnisse zu überprüfen, die dieser sowieso nicht hatte, und ohne Prüfungen, die Jakob niemals bestanden hätte. Je länger sie sprach, desto unruhiger wurde der elegante Mann. Er wippte mit der Fußspitze und zupfte nervös an einem Ende seines Schnauzers. Er ließ sich Zeit, vielleicht wollte er nur den Preis in die Höhe treiben.
Dann begann er zu reden, dass er an Gesetze und Vorschriften gebunden sei, sosehr er einer Obertin auch helfen wolle. Erregt griff er nach seinem Spazierstock und ging in seinem Büro umher, während er immer Gründe fand, warum das nicht klappen würde. Jakob unterbrach ihn: «Herr Direktor, ich kenne mich in solchen Dingen nicht aus, aber wir bezahlen Sie gut. Alles gutes Geld, das in Ihre Tasche wandert.» Der Direktor stockte, dann verstummte er. Jakob setzte noch eins drauf: «Das Geld und ein Schwein, Herr Direktor.» Der Direktor hatte Skrupel, aber am Schluss siegte seine Gier.
* * *
Nachts schlich sich Jakob, der im Gesindehaus schlief, durch die Hintertür zu Elsa und nahm ihren Körper in Besitz. Ihr Vater wusste es, er hörte, wie Jakob durchsZimmer huschte und unter die Decke schlüpfte. Die gepressten, keuchenden Laute hörte er auch. Morgens schlich sich Jakob wieder heraus, bis er dann, wenige Monate vor seinem Schulabschluss, durch die Eingangstüre kam und nie wieder wegging.
Es lag Jakob nichts an einer Hochzeit im Dorf, mit Pomp und Gästen, von denen er sowieso wusste, was sie dachten. Aber eine Hochzeit war wichtig, um endgültig und schwarz auf weiß Herr über die Güter der Obertins zu werden, über das Ackerland, die Obstbäume und Reben, das Vieh, den Hof und das Stadthaus. Also beschloss er, sich über Elsas Wunsch hinwegzusetzen, die meinte: «Wenn schon Hochzeit, dann hier im Dorf, vor den Augen aller. Und so groß und teuer wie nur möglich, damit die sehen, dass die Obertins wieder da sind.»
Eines Tages im April 1926 zog Jakob einen seiner Anzüge an, dann schickte er die Zigeuner und die Tagelöhner allein aufs Feld. Er spannte zwei Pferde vor die Kutsche, öffnete
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