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Jacob beschließt zu lieben - Roman

Jacob beschließt zu lieben - Roman

Titel: Jacob beschließt zu lieben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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um und ging ins Haus zurück, ließ aber die Tür offen. «Na, dann», murmelte Jakob, spuckte auf den Boden und folgte dem anderen ins Haus. Als er auf der Türschwelle stand, zögerte er, hineinzugehen, der Raum war nicht ganz dunkel, Licht fiel nur durch ein schmales Fenster hinein, außerdem war ein kleiner Ausschnitt bei der Tür ausgeleuchtet, in dem der Staub und bläuliche Rauchschwaden herumschwebten, ein Tanz in Zeitlupe.
    Er war sich nicht sicher, ob überhaupt jemand da war, ob es sich nicht vielmehr um eine Falle handelte. Man konnte ein Geräusch hören, als ob man mit Bündeln von Hanfblättern auf die Wasseroberfläche schlug, um sie zu reinigen. «Kommen Sie rein. Wir tun Ihnen nichts. Setzen Sie sich auf den Boden, das ist bei uns so üblich», hörte er eine Stimme. Nach und nach gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit, er sah jetzt nicht eine, sondern zwei Gestalten. Der Bulibaşa saß auf einem Stuhl und hatte die Weste ausgezogen. Dabei hielt er die Arme seitlich gestreckt, wie ein Jesus, der auf ein passendes Kreuz wartete.
    Die andere Gestalt war eine kleine Frau, die ihn mit einem Bündel Brennnesseln auf Rücken und Arme schlug. Manchmal tauchte sie das Bündel in einen Wassereimer ein, dann schlug sie wieder zu. Als sie mit der Rückseitefertig war, ging sie um den Zigeuner herum, stemmte die Beine vor ihm in den Boden und bearbeitete die Vorderseite, Brust und Bauch. Sie schlug so fest zu, als ob sie ihn bestrafen wollte. Aus einem anderen Eimer stieg Rauch auf. Sie war füllig, Jakob konnte sie immer besser erkennen, sie hatte ihr Kopftuch im Nacken zusammengebunden und die Ärmel der Bluse hochgekrempelt. Er stellte sich vor, wie der Körper des Bulibaşa nun aussah, voller Blasen und entzündet.
    Auf einmal legte sie die Brennnesseln weg, holte aus dem Eimer einen Schwamm heraus, klatschte damit auf die Haut des Zigeuners und wischte mit langsamen, gleichmäßigen Bewegungen seinen Körper ab. Aber sie war noch nicht fertig. Sie holte eine Bürste und schrubbte damit den massigen, nassen Rücken ihres Mannes wund. Sie tat es so hingebungsvoll, als ob sich darin das Maß ihrer Liebe zeigte. Einmal ging sie an Jakob vorbei, und ihre Augen musterten ihn neugierig. Nur kurz sah er ihr Zahnweiß, und es war ihm, als ob sie ihn angelächelt hätte.
    Der Zigeuner zischte durch die Zähne, für Jakob kaum hörbar, aber für sie war es das Zeichen, sich zu entfernen. Er brauchte nicht viel mehr, um seine Frau zu beherrschen. Diese Frau, die mein Vater nur undeutlich gesehen hatte, war Ramina, die Brennnessel-Ramina, wie er sie fortan nannte, die mich später aus Mutters weit geöffnetem Schoß herausholte. Die mich von oben bis unten fest einwickelte, wie eine Puppe, nein, wie eine Mumie, als ob man, noch gar nicht richtig am Leben, sich schon totstellen musste. Und es war Ramina, die, nachdem sich der Pfarrer geschlagen geben musste, mich mit fünf Jahren, als ich, mehr tot als lebendig, an der Diphterie erkranktwar, mit ihren Pflanzen und Gräsern ausräucherte, sodass ich wieder gesund wurde.
    «Das bringt die Säfte wieder in Ordnung. Wenn man nicht aufpasst, stocken die Säfte und vergiften einen. Und jetzt erzählen Sie mal, was Sie für uns haben», sagte der Bulibaşa. Die ganze Verhandlung dauerte kaum zehn Minuten, Jakob wurden für den nächsten Tag sechs Mann für den Hof und weitere fünfzehn für die Ernte versprochen. «Wollen wir es nicht schriftlich festhalten?», fragte er den Bulibaşa, doch der begann zu lachen.
    Er holte eine Tabakdose hervor, dazu Papier und drehte sich eine Zigarette. Erst jetzt antwortete er: «Warum beleidigst du mich? Ist dir mein Wort nichts wert? Außerdem kann ich sowieso nicht lesen, aber es fehlt mir auch nicht. Nichts lesen oder schreiben zu können schult das Gedächtnis besser als die Schrift. Und Gigi hat ein hervorragendes Gedächtnis. Morgen um fünf sind die Leute bei dir. Schlag ein, das genügt.» Gigi begleitete Jakob noch bis zur Stelle, wo das junge Paar arbeitete. Das Mädchen hatte selbst noch ein kindliches Gesicht, und doch versorgte sie ihr Kind schon wie jede andere Mutter auch.
    In wenigen Wochen waren der Hof wiederaufgebaut und die Ernte eingefahren worden. Elsa bezahlte den Preis, den Jakob vereinbart hatte. Sie und ihr Vater zogen ins Haupthaus zurück, Jakob bezog ein Zimmer im Gesindehaus. Jetzt war er nur noch einen Schritt von seinem Ziel entfernt, dazwischen aber stand Elsas Vater.
    Er beobachtete Jakob

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