Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jacob beschließt zu lieben - Roman

Jacob beschließt zu lieben - Roman

Titel: Jacob beschließt zu lieben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
Vom Netzwerk:
Bergfrieds. «Ihr Papistenpack, ihr lasst einen Mann einfach so sterben! Aber vorher mache ich euch kalt!»
    Er suchte fiebrig nach einer Möglichkeit, wie er bis zur schmalen Holztür hochsteigen könnte. Sein Gebrüll stieg über die Mauern der Burg und rollte über die Hänge. Er schleuderte alles, was ihm in die Hände fiel, gegen den Turm, stach sogar mit dem Degen zu. Erst spät, als er schon heiser geworden war und sich zurückziehen wollte, hörte er, wie über ihm die Tür geöffnet wurde. Dann fiel etwas dumpf zu Boden, und der Alte flüsterte: «Nimm das und sei still. Man kann dich bis ins nächste Tal hören. Mehr von deiner Sorte können wir uns hier nicht leisten.»
    Es war ein undefinierbares Stück Fleisch, Hähnchen oder Ratte, wer hätte es schon sagen können. Unnötig zu erwähnen, dass Caspar es bis zum letzten Bissen verschlang, genauso wie das bisschen Brot und den Maiskolben. Mit einem zufriedenen, gesättigten Grinsen im Gesicht schlief er ein. Im ersten Licht des Tages erwachte er, und es dauerte nicht lange, bis er wieder über die Zugbrücke ging und im Wald verschwand.
    Es vergingen Tage, bis er wieder Menschen sah oder ihre Spuren, dann aber zog er sich tiefer in den Wald zurück. Wenn ein Dorf aufgegeben schien, wartete er erst stundenlang, bis er sich hineintraute und die Häuser durchsuchte. Einmal hatte er von Weitem gesehen, wie ein Reitergeschwader einen schmächtigen Bauern aus dem Haus zerrte und ihn auf den Rücken legte. Er kannte den Schwedentrunk gut.
    Man goss dem Opfer so viel Mistlachwasser in den Mund, bis dieses ihm wieder aus Ohren und Nase herausquoll. Dabei hockte man sich mit seinem ganzen Gewichtauf den Bauch des Unglücklichen. So hatte auch er oft einem Bauer Auskünfte entrissen.
    Bevor sich die Landschaft Richtung Westen öffnete, marschierte er ein letztes Stück durch eine der seltsamsten Gegenden, die er bisher gesehen hatte. In den zerklüfteten Tälern standen seltsam geformte Felsen, die an Türme, Riesenpilze oder gar Burgen erinnerten. Der Krieg hatte ihm den Aberglauben nicht ausgetrieben, also fürchtete er sich vor den geisterhaften Erscheinungen. Dann aber tauchte vor ihm ein Plateau auf, ein herabfallender Landstrich, der, so hoffte er, zu Lothringen gehörte.
    Von Fieber geplagt, verbrachte er einige regenreiche Tage im fauligen Heu einer Scheune. Bei Marsal traf er spätnachts ein. Er hatte die ganze Zeit niemanden gesehen, als ob das ganze Land verlassen worden wäre. Ein Land, das früher geblüht hatte, als man auf der Moselle oder den Handelsstraßen Bier, Wein und Salz, Wolle und Stoffe bis nach Metz, Trier, Köln oder Mainz gebracht hatte. Am Salz erkannte er, dass er angekommen war.
    Als er auf Schlick trat, beugte er sich und befeuchtete seine Finger, dann lutschte er daran. Er stand am Rande eines der vielen Tümpel, die sich jährlich entlang der Salia bildeten und die auch für seinen Vater eine Einkunftsquelle gewesen waren. Ein bisschen Salz auf der Zunge hatte genügt, um in ihm weitere Erinnerungen zu wecken.
    Aus solchem Schlick hatte sein Vater Salz gewonnen, und wenn im Sommer die Tümpel austrockneten, tat er dasselbe in Moyenvic, wo man das kostbare Gut aus einem tiefen Brunnen holte. Drei magere, alte Pferde liefen im Kreis und brachten die Eimer an die Oberfläche.Musste der Brunnen erneuert werden, stieg sein Vater hinab, fünfzig Fuß tief. Dass er einmal in einem Brunnen mit Salzwasser ertrinken würde, wäre ihm nicht in den Sinn gekommen.
    Caspar kaute am fleischigen Stiel eines Quellers, der salzig und fischig schmeckte, aber genießbar war. Seine Finger hatten im Dunkeln die Pflanze erkannt, auf sie war Verlass. Hätten sie sich getäuscht, so hätte er von einem der vielen Gräser vergiftet werden können, die dort wuchsen. Er überlegte gerade, wie er am besten unbemerkt nach Marsal eindringen könnte, um einen trockenen Platz für die Nacht zu finden, als unweit zwei Stimmen zu hören waren.
    Es waren zwei lothringische Soldaten, die nach einem dritten riefen, der zurückgeblieben war. Die Lothringer waren Alliierte der Kaiserlichen, sie hätten Caspar gehängt, wenn sie gewusst hätten, dass er für die Schweden gekämpft hatte. Auch sie hatte er entkleidet, wenn sie tot waren, die Not war zu groß, um einen Unterschied zwischen Landsleuten und Fremden zu machen. Marsal schien bewacht zu sein, außerdem war die Stadt ummauert, und vor dem Haupttor standen Wachen, die brennenden Fackeln waren gut sichtbar. Die zwei

Weitere Kostenlose Bücher