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Jacob beschließt zu lieben - Roman

Jacob beschließt zu lieben - Roman

Titel: Jacob beschließt zu lieben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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kann ich schon damit ausrichten? Ich brauche trockenes Holz, um ein Feuer zu machen. Etwas gegen den Hunger wäre auch nicht schlecht. Es interessiert mich nicht, ob du katholisch bist und Luther für den Teufel hältst. Wir sterben alle irgendeinmal, so wie die Zeiten sind, eher früher. Ich schlage dir etwas vor: Du lässt mich heute Abend hier übernachten, und morgen bin ich schon wieder weg.»
    Der Alte legte die Muskete ab, drehte sich um und beriet sich kurz mit der Frau.
    «Holz findest du beim Kamin im großen Saal im Obergeschoss. Du kommst über die Freitreppe hinter dir dorthin. Etwas zu essen kann ich dir nicht geben, wir brauchen es selbst. Das wenige, was übrig geblieben ist, haben wir hier hinaufgebracht. Versuch nicht hochzusteigen, ich würde dich töten.»
    Caspar streifte lange durch das Gebäude, inspizierte den Keller und die herrschaftliche Küche. Er fand nur steinhartes Brot und vergammeltes Fleisch, das er sich gierig in den Mund stopfte und wieder herausspuckte. Als das Feuer im Kamin zu lodern begann, zog er sich wieder aus und legte seine Kleider davor auf Stühle, dann stocherte er mit seinem Degen lange in der Asche herum.
    Die Dunkelheit legte sich über die Festung und begrub unter sich die Lebenden und die Toten, dann auch den Wald und die Berge, das ganze ausgebrannte, verlassene Land. In den Feldlagern der Armeen bereiteten sich die Soldaten, die einst Tagelöhner und Knechte, Schneidergesellen, Bäckerlehrlinge, Schuhflicker gewesen waren, auf die Nacht vor. Der Sold war vielleicht noch nicht eingetroffen, also schwärmten manche aus, um zu rauben. Caspar befiel eine Sehnsucht, die er nicht einmal nach dem Hof der Eltern gehabt hatte.
    Das Lagerleben war das Einzige, was er wirklich kannte. Den Geruch der Pferde und der Männer, jener unbehandelten, stinkenden Wunden, fauliger Zähne, verdreckter, mit Blut befleckter Wämse. Ebenso das Lodern der riesigen Feuer, auf denen sie, wenn sie Glück hatten, ganze Schafe und Kälber brieten. Wenn nicht, dann auch schon mal Ratten, Katzen oder Hunde. Er erinnerte sich ans Gewimmel von Körpern, Karren und Zelten. Es schrien die Verletzten, denen die Feldscher die Hände im Rücken gebunden hatten, um ein Bein zu amputieren.
    Obwohl es verboten war, sich zuzutrinken, tranken sie sich zu. Obwohl es verboten war, zu fluchen und sich zu prügeln, taten sie nichts lieber als das. Obwohl ihnen untersagt war, im Streit ihre Herkunft zu erwähnen, entdeckten sie in solchen Momenten wieder, dass sie Schweden und Finnen, Letten und Sachsen, Lothringer und Pfälzer waren. Männer aus allen vier Ecken Europas, die vom Wunsch nach reicher Beute zusammengehalten wurden. Dass sie einen Krieg führten, an dessen Gründe sie sich kaum noch erinnerten. Er ernährte sie, und sie ernährten den Krieg. Das war Grund genug.
    Wenn Caspar einmal den Sold erhalten hatte, stand etwas anderes auf dem Plan. Etwas, das Abwechslung brachte ins trostlose Leben eines Söldners, das vom Rhythmus der Märsche bestimmt wurde. Dann hielt er sich am liebsten unter den Abertausenden Begleitern der Truppe auf, die sich unweit davon entfernt niedergelassen hatten.
    Man hatte sich zwischen den Pferdegespannen und Karren eingerichtet, die Munition und Proviant, Zelte und Laternen transportierten. Schmiede, Wagenmacher, Zimmerleute, Schanzengräber, Viehtreiber, Soldatenfrauen, sie alle zogen monatelang hinter der Armee her, bemüht, mit ihr Schritt zu halten. Sie kämpften um die besten Plätze, um ihre Ware anzubieten. Oder sich selbst.
    Caspar spazierte zwischen den Ständen umher, versuchte seine Beutestücke zu verkaufen, verspielte alles, fluchte und betrog, wurde betrogen, prügelte sich und endete in den Armen einer der Frauen, die trommelschlagend auf sich aufmerksam machten. Man könnte das alles eine schlechte Welt nennen und eine sündige, aber es war seine einzige, und als solche liebte er sie. Deshalb bereute er dort vor dem Kamin seine Flucht, und er fühlte sich elend.
    Als nur noch die heiße Asche glühte, hatte er die Kleider längst wieder angezogen und sich mit dem Rücken zur wärmenden Quelle schlafen gelegt. Aber er konnte nicht zur Ruhe kommen und wälzte sich hungrig hin und her, bis das Gefühl so quälend wurde, dass er aufstand, Degen und Dolch packte und in den Hof ging. Er nahm einen Stein und warf ihn gegen die kleine Tür bei der Einstiegsluke. «Ich habe Hunger! Gebt mir etwas zu essen!», rief er. Er horchte, aber nichts rührte sich im Innerndes

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