Jacob beschließt zu lieben - Roman
in den Stall.
Da wusste er, dass er entdeckt worden war und dass man ihn bereits beobachtete. Doch er, der sich jahrelang mit dem bezahlten Beischlaf mit hässlichen, verbrauchten Frauen hatte zufriedengeben müssen, war so sehr mit dem Mädchen beschäftigt, dass er fast übersah, wie ein kräftiger Mann aus einem Fenster stieg, über die Hofmauer sprang und, mit einem Messer bewaffnet, im Schutze einiger Büsche mit dem Aufstieg begann.
Caspar stand auf, stellte die Muskete senkrecht, stopfte Schießpulver und eine Kugel in ihren Lauf, dann drückte er alles mit dem Ast nach unten. «Näher», murmelte er und legte Pulver auch auf die Schussvorrichtung. «Noch näher.» Er zielte, dann schoss er ruhig. Der Mann blieb plötzlich stehen, als ob er es sich anders überlegt hätte,dann gaben seine Beine nach, er sackte zusammen und kippte nach vorne.
Das Mädchen lief schreiend ins Haus zurück, warf dabei den Eimer weg, und die Milch sickerte in den Boden, nicht anders als das Blut des Toten. Im selben Augenblick stürmte ein alter Mann heraus, packte das Erstbeste, das er fand – eine Sense –, und lief auf Caspar los. Er kletterte mühevoll den Hang hinauf, rutschte mehrmals ab und musste von Neuem beginnen. Caspar lud währenddessen seine Waffe, dann schoss er ein zweites Mal.
Caspar machte sich nun auf den Weg zu seinem ersten Opfer. Er rammte ihm die Muskete in die Rippen, um sicher zu sein, dass er nicht mehr lebte. Er setzte sich hin, zog die Stiefel des Toten an, dann ging er auch zur zweiten Leiche. Er warf seine Pelerine weg und zog den Mantel des Alten an.
Vorsichtig näherte er sich dem Haus, aus dem eine Frau zu hören war, die stöhnte. Er drückte die Tür ein und trat ein. Es brauchte seine Zeit, bis seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten und er nicht nur Umrisse sah, sondern auch das Mädchen, das in einer Ecke kauerte, und die jämmerliche Gestalt auf dem Bett. Der Körper der Frau war mit Geschwülsten an den Beinen, am Hals und in den Achselhöhlen übersät. Manche waren so groß wie Handteller, knotig und dunkelrot. An manchen Stellen war die Haut siebartig durchlöchert, und daraus sickerte eine blutig wässrige Flüssigkeit.
Es war Caspar nicht klar, ob die Frau bei Bewusstsein war, doch er wusste sofort, an was sie litt. Er fragte das Mädchen trotzdem danach, in seinem lothringischen Deutsch, einer Sprache, die er in seiner Kindheit gesprochen hatte. Er wollte Zeit gewinnen, um eine Entscheidungzu treffen. Es kam keine Antwort, also fragte er lauter und bestimmter.
«Ja, die Pest», antwortete das Mädchen.
«Bist du auch krank?»
«Ich glaube nicht.»
«Komm her!» Auch diesen Satz musste er wiederholen, damit sich das Mädchen rührte. Als sie, der die jahrelange Unterernährung zugesetzt hatte, bei ihm war, packte er sie am Arm und zog sie in den Hof. «Bring die Kuh her!», befahl er ihr.
Er stieß sie zum Stall hin. Das Mädchen aber dachte gar nicht daran, ihm zu gehorchen. Sie ging zum Stall und lief durch eine Öffnung auf der anderen Seite hinaus. Sie machte sich auf den Weg ins Dorf, aber bei der Brücke holte Caspar sie ein. Sie hatte Mut gefasst, wehrte sich und entwischte ihm einige Male. Sie war so leicht, dass Caspar sie hochhob und zurück auf den Hof trug.
Dort suchte er nach einem Stück Seil. Als er eines fand, machte er eine Schlinge und wollte sie ihr über den Kopf stülpen. Sie widersetzte sich, sodass er sie an sich presste und mit einer Hand ihre Handgelenke festhielt. Es gelang ihr, sich zu befreien, also warf er sie auf den Boden, hockte sich mit den Knien auf ihre Arme und brachte so sein Vorhaben zu Ende.
Er zog sie am Seil bis zur abseits stehenden Scheune und band sie dort an einen Balken, dann holte er die Kuh und den Eimer. Er melkte die Kuh, trank gierig aus dem Eimer, dann schob er ihn zu ihr herüber, doch sie kippte ihn um. «Wie ich sehe, bist du satt. Dann gibt es auch nichts mehr zu essen», sagte er. «Wie heißt du?»
Sie zog die Knie hoch und legte die Arme um sie. Ihre Waden und Schenkel wurden sichtbar, sie bemerkte seinGrinsen und versuchte, sie wieder unter dem Rock zu verstecken. «Ich tue dir nichts», sagte er. «Zumindest, bis ich nicht sicher bin, dass du gesund bist. So lange bleibst du angebunden. Ich nehme an, dass die zwei dein Vater und dein Bruder waren und dass du mich jetzt gerne umbringen würdest, aber das wird sich ändern. Ich konnte nicht anders, sie haben mich doch angegriffen. Sie hätten nur fragen
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