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Jacob beschließt zu lieben - Roman

Jacob beschließt zu lieben - Roman

Titel: Jacob beschließt zu lieben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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müssen, und ich hätte geantwortet. Es sind aber nun mal schlimme Zeiten. Ich mache mich jetzt besser auf den Weg ins Dorf und suche nach etwas zu essen. Vorher aber muss ich dir auch die Hände festbinden.»
    Als er zurückkam, fand er sie röchelnd vor, sie hatte mit allen Mitteln versucht, sich zu befreien. Er stellte den Sack ab und machte Feuer. «Das Dorf wurde zerstört. Es ist kaum noch jemand da, ich habe nur zwei Frauen und einen Krüppel gesehen», sagte er, dann schüttelte er den Sack aus. «Ein paar Kartoffeln und Maiskolben, das ist alles, was ich gefunden habe. Wenn es so weitergeht, muss ich dich fressen.» Er sah ihr verängstigtes Gesicht und begann zu lachen. «Du nützt mir lebendig mehr als tot. Wer hätte gedacht, dass ich nach Hause komme und mich da schon eine Frau erwartet?»
    Er legte die Kartoffeln und die Maiskolben aufs Feuer, dann setzte er sich davor und rieb sich die Hände. Er aß sie halb roh, während das Mädchen ihm mit hungrigen Blicken dabei zuschaute. Ihr Blick wanderte von den Stiefeln des Bruders zu Caspars Mund, dann wieder zurück. Später starrten beide in die Flammen, und eine starke Müdigkeit nahm von ihnen Besitz. Kurz vor dem Einschlafen hörte er sie murmeln: «Mutter braucht auch etwas zu essen und frische Umschläge.»
    Das Scheunentor stand weit offen, als sie erwachte,und der Wind blies umbarmherzig hinein. Sie war allein, von Caspar keine Spur, und so hoffte sie, dass er aus irgendeinem unerfindlichen Grund weitergezogen war. Doch sie wusste ebenso gut, dass sie sich ohne ihn nicht befreien konnte und verhungern würde. Von draußen hörte sie jemanden vergnügt singen:
Auf Gustavs G’sundheit woll’n wir trinken / Der Papisten Glaub wird bald hinken / Der Schwed, der wird ausreiten gar / Die ganze papistische Schar.
Sie reckte sich, soweit es ging, um einen Blick durch das Tor ins Freie zu erhaschen, und was sie sah, brachte sie erneut zum Schreien.
    Caspar hatte bereits ihren Bruder und ihren Vater ins Haus getragen und war dabei, eine Fackel, die er in Weingeist getaucht hatte, anzuzünden. Er ging wieder hinein und tauchte erst dann wieder auf, hustend und rußgeschwärzt, als schon das Strohdach brannte. Jetzt legte er auch an den Heuballen Feuer an, die er ums Haus geschart hatte. Er hörte das Schreien des Mädchens, aber er kümmerte sich nicht weiter darum. Der Wind, der den Brand zuerst behindert hatte, entfachte ihn von Neuem, und dicke Rauchschwaden drangen durch die Tür und die Fenster.
    Caspar war zufrieden mit seinem Werk, das Feuer loderte gleichmäßig von allen Seiten. Er lehnte an der Mauer und bewunderte sein Können, denn Feuerlegen musste gelernt sein. Durch seine Hand waren unzählige Bauernhäuser zu Asche geworden. Ein gutes Feuer fraß sich durch alles hindurch, was es auf seinem Weg fand: durch morsches Holz, durch Leinen und Lehm, durch das Stroh des Bettes und die Bettwäsche, durch die Haut der beiden toten Männer. Es erstickte die bewusstlose Mutter, bevor es sie verbrannte. Es ließ Mauern und Holzbalkeneinstürzen und reinigte den Ort, an dem Caspar in Kürze ein neues Haus bauen wollte.
    Er kehrte in die Scheune zurück, wo das Mädchen erschöpft dalag, nachdem sie wieder versucht hatte loszukommen. «Jetzt braucht sie nichts mehr», brummte Caspar.
    Es dauerte mehrere Tage, bis das Mädchen sich entschloss, sein Leben zu retten. Es musste am Leben bleiben, wenn es sich einmal rächen wollte. Eines Abends trank es den Eimer voller Milch aus, den er ihm täglich hinstellte, wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab und verlangte zu essen. Er gab ihr etwas vom Brei, den er gekocht hatte.
    Danach geschah lange nichts mehr, sodass er sich enttäuscht von ihr abwandte. Er hatte genau auf die ersten Anzeichen der Pest geachtet und war entschlossen, auch die Scheune samt dem Mädchen niederzubrennen, wenn es sein musste. Aber das Mädchen blieb, abgesehen von den Spuren der Unterernährung, gesund. Es war ein Mädchen, das zu einer Frau heranwachsen konnte, wie er sich eine wünschte. Widerstandsfähig war sie jedenfalls. Wenn sie ein wenig zunahm, würde sie bestimmt zehn Kinder aufziehen und einen Haushalt führen können. Bei solchen Gedanken geriet er innerlich ins Schwärmen.
    «Marie», hörte er sie irgendwann sagen. «Ich heiße Marie.»
    «Ich dachte schon, dass du verlernt hast zu sprechen. Ich stamme aus Dieuse, weißt du? Ich habe mir den Krieg nicht ausgesucht, sondern er mich. Da lernt man keine guten Manieren,

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