Jacob beschließt zu lieben - Roman
Hoffnung, dass sie trocknen würden. Dann rieb er seine Haut mit Sand ab, aber auch dieser war feucht, wie alles in jenem Tal, in das kein Lichtstrahl durch die sich vielfach überlappenden Baumkronen drang. Er versuchte, ein Feuer zu entfachen, aber es gelang ihm nicht.
Er kauerte lange nieder, die Arme um die Knie gelegt, und überlegte, wie er sich aus seiner Lage befreien konnte. Sein Gesicht war von Pocken entstellt, und mehrere lange Narben zeugten von schlimmen Verletzungen. Wenn er sich nicht täuschte, befand sich die Burg, die er von Weitem gesehen hatte, direkt über ihm. Er entdeckte den Trampelpfad, den wohl früher die Frauen benutzt hatten, um im Fluss die Wäsche zu waschen. Jetzt war er fast vollständig mit Gestrüpp zugewachsen.
Caspar zog sich an und begann den Aufstieg. Die Burg war zur Angriffsseite hin von einem Spitzgraben gesichert,auf dessen Grund sich kloakenartige Tümpel gebildet hatten. Er suchte entlang des Grabens nach einem Einstieg und war bereit, sofort wieder im Wald zu verschwinden, wenn man ihn entdeckt hätte. Aber weder auf der Ringmauer noch an den Schießscharten zeigte sich jemand, und die Zugbrücke war fast ganz heruntergelassen worden. Es war so still, dass er sogar bei den einsamen Rufen eines Falken zusammenzuckte.
Er stieg auf die Brücke und näherte sich dem Tor. Direkt davor lag eine dicke Schicht von verhärtetem Pech, das man beim verzweifelten Versuch, die Burg zu schützen, über die Eingreifer gegossen hatte. Die Leichen im Burggraben zeugten davon, dass man zumindest ein wenig erfolgreich gewesen war. Caspar stieß das Tor auf, welches sich zu seiner Überraschung leicht öffnen ließ, er zog seinen Degen und trat in den Hof.
Die Ställe, Schmieden und Lagerräume der Unterburg waren leer, man hatte alles weggebracht, Pferde, Rindvieh, Vorräte, nur die Zisterne war intakt, aber seinen Durst hatte er eben erst gestillt. Überall lagen Geräte und Rüstungen, die man nicht hatte wegschleppen können. In einer windgeschützten Ecke hatte man einige Dutzend verbrannte Leichen übereinandergelegt. Caspar wurde misstrauisch, denn nur überlebende Bewohner machten so was. Plünderer kümmerten sich nicht darum, sie ließen den Tod hinter sich, sie brauchten nicht mittendrin zu leben. Caspar schritt nun auf das zweite Tor zu, das zur Oberburg führte.
Mit einer solchen Erscheinung hatte er nicht gerechnet, die junge ausgemergelte Frau war höchstens zwanzig und wirkte doch bereits wie eine vorzeitig Gealterte. Ihr Gesicht war gerötet, es schien zu glühen, an Armen undBeinen hatte sie aufgeplatzte, eitrige Wunden. Caspar wich zurück und hielt sich die Hand vor die Nase, denn er hatte schon Menschen gesehen, die von der Beulenpest befallen worden waren. Sie fing an zu schreien und lief auf den Bergfried los, der sich am anderen Ende des quadratischen Hofs erhob.
Sie humpelte, war entkräftet, er hätte sie ohne Weiteres einholen können, aber er blieb vorsichtig zurück. Jetzt erst erkannte er, dass sie nicht kopflos schrie, sondern nach einem Mann rief, der sich bald in der Einstiegsluke des Turms, zwanzig Fuß über dem Boden, zeigte. Es war ein alter und kahler Mann, der mit einer Muskete auf ihn zielte. Die Frau, seine Tochter vielleicht, erreichte das untere Ende der Leiter und stieg mühevoll hinauf. Caspar erkannte, dass es sich nicht um einen geübten Schützen handelte, aber er ging in Deckung. Die Kugel schlug weit entfernt ein und wirbelte ein wenig Staub auf. Caspar lugte hervor und sah, dass die Frau oben angekommen war und die Leiter hochzog. Der Mann lud seine Waffe nach.
«Ich tue euch nichts!», rief Caspar, in der Hoffnung, dass man ihn auch verstand. «Ich muss mich trocknen und essen.»
«Bist du Schwede?», rief der Mann.
«Lothringer, auf dem Weg nach Hause.»
«Für wen kämpfst du?»
«Jetzt nur noch für mich.»
«Wir sind katholisch. Die Schweden haben uns vor einem Monat angegriffen.»
«Deshalb all die Toten?»
«Nein, das ist die Pest.»
«Gibt es etwas zu essen hier?»
«Sie haben alles mitgenommen. Vierzig Pferde, dreißig Rinder, Schafe, Hühner, zehn Saum Wein.»
Caspar verließ sein Versteck, er wusste, dass der Mann zu ungeübt war, um ihn zu treffen. Zu umständlich ging er mit der Muskete um. Aber auch er hatte keine Möglichkeit, den Turm zu stürmen oder ihn aufzubrechen. Gegen die dicken Mauern kamen seine Waffen nicht an. «Willst du hier plündern?»
«Ich habe nur einen Degen und einen Dolch bei mir, was
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