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Jacob beschließt zu lieben - Roman

Jacob beschließt zu lieben - Roman

Titel: Jacob beschließt zu lieben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Rumänisch.
    «Wieso habt ihr die Zigeunerin geholt? Gute Christen haben mit dem Aberglauben nichts am Hut», mahnte der Pfarrer.
    «Auch wenn der Junge gesund wird, wird er ein Schwächling bleiben», sagte Vater.
    «Er ist immerhin auch Ihr Sohn», sagte Mutter.
    «Da bin ich mir nicht so sicher, bei Ihrem früheren Lebenswandel. So etwas Schwaches kann unmöglich von mir stammen.»
    Ramina stellte drei kleine Bündel auf den Tisch. Im ersten war Knoblauch. Sie halbierte die Knollen, die eine Hälfte legte sie mir zwischen die Lippen, mit der anderen rieb sie meinen Oberkörper ein, den sie zuvor frei gemacht hatte. Im zweiten Bündel waren die getrockneten Blätter und Wurzeln einer Pflanze, über deren magische Fähigkeiten ich erst viel später etwas erfahren sollte. Sie gab ein wenig davon auf einen Teller, stellte diesen auf meine Brust und zündete die Kräuter an. Bald war ich in einen übel riechenden Rauch gehüllt, der mir in Nase, Mund und Augen drang, sodass ich heftig zu husten begann. «Sie wird ihn noch umbringen», flüsterte Neper.
    «Wenn ein böser Geist in ihm ist, dann wird er den Jungen jetzt verlassen», sagte Ramina. Aber damit war sie noch nicht zufrieden. Dem dritten Bündel entnahm sie noch mehr Gräser und legte sie in die Mitte des Raums, dann zündete sie auch diese an. Sie bat Mutter um einen Besen, und während alle husteten und sich die Augen rieben, fegte sie damit bis in die hinterste Ecke.
Ich fege den Hass aus diesem Haus heraus. Ich fege den Neid und die Gier weg. Ich fege den Geist weg, der Jacob quält.
Dann schob sie den ganzen Dreck auf Zeitungspapier und verbrannte alles im Hof. Es ist fast überflüssig zuerwähnen, dass ich gesund wurde. Aber das war vor langer Zeit gewesen.
    Eines Tages brachte Lehrer Kirsch ein gerahmtes Hitlerbild ins Klassenzimmer, schlug einen Nagel in die Wand und hängte es auf. Er strich so zärtlich über das Bild, wie man es wegen seiner Riesenhände nicht für möglich gehalten hätte. «Das ist der Hitler», sagte er, begutachtete sein Werk, und weil er noch nicht zufrieden war, fummelte er an dem Rahmen herum, bis das Bild gerade hing.
    «Wer es anfasst, kriegt es mit mir zu tun. Verstanden?»
    «Jawohl, Herr Lehrer», antworteten wir.
    «Ihr seid noch Jungvolk, aber das Schönste kommt später.»
    Er hielt inne, und weil wir wussten, dass es nun an uns war nachzufragen, stellte einer die immer gleiche Frage: «Herr Lehrer, wann haben Sie zum ersten Mal deutsche Soldaten gesehen?»
    «Es war 1935, und ich hatte einen Kampf in Berlin. Einige SS-Männer saßen in der ersten Reihe. Wisst ihr, was auf dem Koppelriemen der SS steht?» Auch wenn wir es bereits schon wussten, antworteten wir mit Nein.
    «
Meine Ehre heißt Treue
, steht darauf. Merkt es euch. Und auf dem der Wehrmacht steht:
Gott mit uns
.» Er röchelte, öffnete weit das Fenster und atmete tief und geräuschvoll ein. «Wenn ich kein Asthma hätte, wäre ich wohl in Polen. Oder ich wäre ein erfolgreicher Boxer geworden. Ich hatte alles, was man dazu braucht. Ich war auf dem Weg, der beste meiner Gewichtsklasse zu werden. Stattdessen bin ich hier gelandet und muss einem Haufen Bauernlümmel das Schreiben beibringen.»
    Wieder litt er unter Atemnot und eilte ans Fenster. Erstrich mit dem Zeigefinger über seine Nase, wie um sich zu vergewissern, dass das Organ, das ihn so quälte und sein Lebensglück verhindert hatte, noch an seinem Platz war.
    «Was ist das Schönste, das noch kommen wird, Herr Lehrer?», fragte ein anderer.
    Er ließ sich Zeit mit der Antwort, schloss das Fenster, ging zum Vorhang, der das Klassenzimmer teilte, und zog ihn beiseite. Die Lehrerin, die Katica und einige andere Kinder dahinter auf Rumänisch unterrichtete, verstummte. Bei ihnen hing nicht der Führer an der Wand, sondern der rumänische König.
    «Wenn alles deutsch sein wird, wird es so etwas nicht mehr geben. Das Schönste, fragst du? Dass ihr in ein paar Jahren auch in einer Uniform steckt und für unsere Sache Krieg führt. Vielleicht nicht mehr diesen Krieg, aber einen anderen. Ein Krieg lässt sich immer finden, daran mangelt es nicht.»
    Am Abend bastelte Vater in unserer Stube an einem Radio Marke Eigenbau. Er sang vor sich hin, während er zwei Kabel zusammenlötete:
Du hast Glück bei den Frau’n, Bel Ami! / So viel Glück bei den Frau’n, Bel Ami! / Bist nicht schön, doch charmant, / bist nicht klug, doch sehr galant, / bist kein Held, / nur ein Mann, der gefällt. / Doch die Frau,

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