Jacob beschließt zu lieben - Roman
mehrerer Petroleumlampen, die Leute schienen sich abzusprechen. Dann schlug man den Weg zur Gruft der Damas ein. Jetzt hörte ich auch deutlich die Sprache, die mir seit den Tagen in Temeschwar geläufig war, als die Russen bei uns Schnaps gesucht hatten.
Das Schicksal sprach Russisch, doch als es dann vor der Gruft stehen blieb, hörte ich eine vertraute Stimme: «Komm heraus, Junge. Es ist vorbei», forderte Vater mich auf. Ich schob die Platte beiseite, dann leuchtete mir eine Lampe so grell ins Gesicht, dass ich mir den Arm vor die Augen hielt. Ich spürte, wie mich zwei kräftige Hände herauszogen, ohne dass ich mich widersetzen konnte.
Die erste Gestalt, die ich bemerkte, war die Sarelos, die zweite die Vaters, der sagte: «Es tut mir leid, Junge. Sie haben Sarelo für dich gehalten, sie wollten ihn mir wegnehmen. Auch der Pfarrer konnte sie nicht überzeugen. Es ist mir nichts anderes übrig geblieben. Auf dich kann ich verzichten, aber nicht auf ihn.»
Zwei russische Soldaten griffen mir unter die Arme und zwangen mich, ihnen zu folgen, dahinter kamen in einigem Abstand Vater und Sarelo. Ich wurde unsanft auf die Scheinwerfer zugetrieben, doch ich sträubte mich nicht, wie Ramina es getan hatte, indem sie sich ganz auf ihr Gewicht verlassen hatte. Ich schwebte nicht wie sieüber den Köpfen der Soldaten, ich zog meinen Kopf ein. Ich würde auch nicht auf dem Lastwagen sitzen wie auf einem Thron. Ein kleiner Triumph im Augenblick der größten Niederlage.
Benommen – eine Benommenheit, die seit Katicas Tod von mir Besitz ergriffen hatte – steuerte ich auf den Platz zu, wo ich meine halbe Kindheit verbracht hatte. Wo Großvater seine Tiere, Sarelo seine Messer und Katicas Mutter Röcke und Anzüge verkauft hatten. Wo sich Mütter nach künftigen Schwiegertöchtern umgeschaut hatten. Wo jetzt zwei Lastwagen auf die Letzten warteten, die man noch eingefangen hatte.
Männer und Frauen wurden so wie ich durch die Gassen getrieben. Man hatte sie in Gärten und Scheunen, in Kellern und auf Dachböden aufgegriffen. Sie versuchten sich ohne viel Erfolg mit ihren Schals, den Fellmützen und hochgezogenen Krägen vor der Kälte zu schützen. Als wir alle auf einem der Lastwagen standen, sah ich mich um. Lehrer Kirsch stand da, stumm und grimmig, und einige seiner beim Exerzieren fleißigsten Jungen.
Zwei Männer erzählten, dass sie sich in der Mühle versteckt hatten, eine Frau wurde in einem Fass voller Mistlake gefunden. Ihr Geruch sollte uns bis in die Stadt begleiten. Eine andere Frau war schwer verletzt worden, als die Soldaten mit dem Bajonett ins Heu gestochen hatten. Trotzdem wurde sie halb tot neben uns abgelegt. Inmitten von all dem stand ich, Jacob, Jacob mit
c
.
Langsam versammelte sich das Dorf um die Lastwagen. Die Menschen standen stumm da. Sie hatten, was sie ihren Kindern, Brüdern und Schwestern mitgeben wollten, mitgebracht: Kleider, Essen, ein Foto zur Erinnerung.Doch der rumänische Übersetzer ermahnte sie, sich nicht zu nähern, und die Soldaten drängten sie zurück.
Ich schaute mich nach Vater und Sarelo um, die mir gefolgt waren, aber sie waren verschwunden. Ich suchte nach Großvater, aber auch er war nicht da. Doch in einer dunklen Ecke sah ich eine Gestalt, die mir bekannt vorkam. Sie trat einen Schritt vor, dann noch einen, und plötzlich erkannte ich Mutter. Ich rief ihr nicht zu, ich starrte sie nur an, so überrascht war ich, dass sie da stand. Sie, die noch nie für mich eingestanden hatte.
In ihren Armen hielt sie ein Bündel, sie ließ sich von den Soldaten nicht wegdrängen und verteidigte mit ihrer ganzen Kraft, was sie an ihre Brust drückte. Als sich ihr die Möglichkeit bot, lief sie auf unseren Lastwagen zu, doch ein Russe packte sie am Arm und riss sie um, sodass sie zu Boden fiel. Doch sie gab ihr Vorhaben nicht auf. Als der Hauptmann nach dem Soldaten rief und dieser sich entfernte, ergriff sie ihre Chance, und dieses Mal gelang es ihr, mir das Bündel zu überreichen.
«Gott ist mit dir, Jacob», sagte sie, dann wurde sie endgültig zurückgedrängt. Als die Russen in die anderen Lastwagen gestiegen waren, während vier von ihnen bei uns blieben, schafften es auch andere, ihre Bündel loszuwerden. Dann setzte sich die Kolonne in Bewegung. Der Fahrer gab Gas, und der Fahrtwind blies uns unbarmherzig ins Gesicht.
Mutter hatte in einen kleinen Sack einen Pullover, Brot, Käse und Speck eingepackt. Ich streifte den Pullover über und sah zu, wie sich die Lichter
Weitere Kostenlose Bücher