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Jacob beschließt zu lieben - Roman

Jacob beschließt zu lieben - Roman

Titel: Jacob beschließt zu lieben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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hatten ihre Arbeit fast erledigt. Frédéric schloss die Augen und sog die kalte, feuchte Luft ein. In Marsal schlugen sie den Weg zum Haus des Richters ein, doch sie kamen nur langsam voran, denn sie mussten aufpassen, dass die Leute die Zigeunerin nicht erschlugen. Tot hätte sie ihnen viel weniger eingebracht, also ließ Frédéric seinen Freund vorausreiten, während er hinten die Zigeunerin abschirmte.
    Der Richter zahlte sie aus. Als Frédéric die Frau schließlich zum Turm brachte, wo sie bis zur Hinrichtung festgehalten werden würde, und als er sie der Wache übergab, wandte sich die Zigeunerin zu ihm um. In ihrem Blick steckte der ganze Hass, zu dem sie fähig war, und sie spuckte ihm vor die Füße.
    «Du sollst so viel hungern wie ich», sagte sie.
    Frédéric lachte laut. «Das ist schon geschehen. Dafür braucht es deinen Fluch nicht mehr.»
    «Und alle, die nach dir kommen, sollen auch hungern.»
    Dann wurde hinter ihr das Tor verriegelt, und Frédéric hörte nur noch schwache Schritte, die sich langsam entfernten. Jules und er gingen ins Wirtshaus, wo sie gern gesehene Gäste waren, weil sie den größten Teil ihrer Belohnung immer für den billigsten Fusel ausgaben. Angeheitert und gewärmt, machten sie sich später auf den Heimweg, und sie hatten wieder Glück, denn die Pferde kamen allein zurecht und kannten die Strecke ebenso gut wie sie. Sie mussten nur darauf achten nicht hinunterzufallen. Auf der Straße nach Dieuse, auf der Höhe seines Hofes, stieg Frédéric vom Pferd, überreichte Jules die Zügel und ging wankend das letzte Stück Weg zu Fuß.
    Er hatte gerade die kleine Brücke über die Salia überquert, als er merkte, dass aus dem Kamin seines Hauses Rauch aufstieg. Er drehte sich um, um Jules zurückzurufen, aber dieser war längst verschwunden. Ihm blieb nichts anderes übrig, als sich allein dem Eindringling zu stellen. Er zog seinen Dolch heraus, lud die Pistole und näherte sich dem Eingang.
    Doch bevor er die Tür aufriss, die einen Spalt weit offen stand, hörte er, wie drinnen einer jammerte: «Gott, oh Gott, wo hole ich nur in dieser Einöde neue Schuhe her?» Frédéric wartete einen Augenblick, um ganz sicher zu sein, dass da nicht noch mehr Leute waren. Als er dann mit gezogenem Messer in den Raum eindrang, fand er einen verängstigten, dicken Mann vor, der auf dem Bettrand saß und sich seine nackten Füße massierte. Sein Bauch wirkte übergroß im Vergleich zu den kurzen, stämmigen Beinen. Neben ihm auf dem Boden lag eine Trommel.
    «Schießen Sie nicht! Um Gottes willen schießen Sie nicht!», rief dieser entsetzt.
    «Was suchen Sie in meinem Haus?», fragte Frédéric.
    «Ich wollte mich wärmen und etwas essen. Ich hätte dafür bezahlt, ich habe Geld.»
    «Wer sagt mir, dass Sie kein Dieb sind?»
    «Haben Sie schon mal einen so kugelrunden Dieb gesehen? Ich würde doch nur in der Tür stecken bleiben. Außerdem, haben Sie schon mal einen Dieb mit einer Trommel gesehen? Bestimmt nicht, denn wozu sollte sie ihm nützen? Sollte er etwa im Dorf herumtrommeln, dass der Dieb da ist und dass man Türen und Fenster für ihn öffnen soll? Seien Sie vernünftig. Ich bin nur ein Emissär Ihrer Majestät Maria Theresia, der Kaiserin von Österreich, und muss die frohe Botschaft unter die Leute bringen.»
    «Ein so wichtiger Emissär reist zu Fuß?»
    «Ich bin nur zu Fuß, weil mir vor ein paar Tagen einige Zeguns das Pferd gestohlen haben. Ich hoffte im Dorf auf Ersatz.»
    «Dann erzählen Sie mal, was das für eine Botschaft ist.» Frédéric legte die Waffe ab und setzte sich an den Tisch, ohne den seltsamen Gast aus den Augen zu lassen. Der Mann hob einen seiner Schuhe auf und steckte mehrere Finger durch ein Loch in der Sohle. Er fasste Mut, richtete sich auf, zog seine ebenso löchrigen Strümpfe wieder an und begann zu erzählen.
    Seit vielen Jahren würden sich Menschen mit Unterstützung der Kaiserin und der Wiener Hofkammer auf den Weg in den Osten der Monarchie machen. Sie reisten an einen Ort, von dem Frédéric noch nie etwas gehört hatte und wo die Monarchie über sehr viel Land, aber zu wenig Menschen verfügte. Man sei drei Jahre lang von Steuern befreit. Man bekomme Land und Hof in Pacht und eine Antizipation an Tieren und Gerätschaft, einenVorschuss sozusagen, um die erste Zeit zu überstehen. Der Emissär hielt kurz inne und beäugte Frédéric.
    Nur wenn man sich sehr dumm anstellte oder sehr ungeschickt war, würde man nicht nach kurzer Zeit mehr

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