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Jacob beschließt zu lieben - Roman

Jacob beschließt zu lieben - Roman

Titel: Jacob beschließt zu lieben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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wieder einmal trieb sich eine Gruppe irgendwo zwischen Moyenvic und Marsal herum.
    Sie brauchten nicht viele Worte, um sich zu verständigen, sie waren gemeinsam aufgewachsen, und als Frédéric den Hof erbte, kam Jules manchmal zu ihm heraus, um auszuhelfen. Eine Frau hatte Frédéric nicht gefunden, an seine Hässlichkeit konnte sich keine auf Dauergewöhnen. Er hatte ein verdrücktes Gesicht, das wie von einer Krankheit entstellt schien, und wulstige Lippen. Jedenfalls war sich Frédéric inzwischen sicher, dass er für immer ledig bleiben würde.
    Jules hatte die Pferde mitgebracht, und als Frédéric bereit war, brachen sie wortlos auf. Sie ritten eine Weile Richtung Marsal, machten einen Umweg um die Stadt und kamen bald in den dichten Wald, den die Zigeuner seit Generationen als Versteck nutzten. Sobald sie den feinen Rauch über den Baumwipfeln sahen, stiegen sie ab, banden die Pferde fest, denn sie hätten sie durch ihr Wiehern verraten können. Zu Fuß gingen sie weiter und pirschten sich heran. Sie wussten, dass jeder umgeknickte Ast sie um ihre Beute bringen konnte.
    Wenn unter den Zigeunern mehrere kräftige Männer waren, konnten ebenso gut sie zu den Gejagten werden. Die
Zeguns
waren gefürchtet und konnten nicht nur mit Pferden, sondern auch mit Waffen gut umgehen. Aber wenn es nur Frauen und Alte waren, hatten sie eine Chance.
    Zwar war die Zeit der großen Wanderungen vorbei, als die Zigeuner zu Hunderten vor den Toren der Städte aufgetaucht waren und man sie ehrfürchtig mit Geschenken empfangen hatte. Jetzt streiften sie in kleinen Gruppen umher, um nicht aufzufallen. Sie waren scheu geworden und zogen Routen vor, die weit entfernt von jeder menschlichen Siedlung waren. Wenn sie haltmachten, dann nur tief im Wald. Trotzdem stellte man ihnen nach, und an den Kreuzungen der Landstraßen hatte man Tafeln angebracht, auf denen gezeigt wurde, was jedem Zegun, den man fing, bevorstand, nämlich gehängt zu werden.
    Die beiden Männer hatten das Glück auf ihrer Seite, denn dort versteckten sich nur einige zerlumpte Frauen mit ihren Kleinkindern, ein gebrechlicher alter Mann und ein jüngerer Bursche. Sie hatten sich aus Baumstämmen, Laub und Tierfellen einen nach einer Seite offenen Verschlag gebaut und kauerten vor einem schwachen Feuer, auf dem sie einen Hasen brieten. Frédéric und Jules trennten sich. Jules ging gebückt und im Schutz der Büsche um das Lager herum und bezog auf der anderen Seite Stellung.
    Frédéric legte seinen Dolch ab, zog seine Pistole und lud sie durch. Er wusste, dass Jules das Gleiche tat. Der erste, entscheidende Schuss aber gehörte immer ihm, er war ein präziser Schütze, das musste in der Familie liegen, hatte ihm Vater erzählt, denn auch der Deserteur Caspar hatte auf über vierhundert Fuß zweimal nachladen, schießen und treffen können.
    Als er fertig war, zielte er auf den Jungen und pfiff kurz. Jules’ Pfiff hörte sich wie ein Echo des seinen an, dann schoss er, und der Junge fiel zu Boden. Jules’ Schuss, der unmittelbar folgte, streifte den Alten bloß. Ein Geschrei begann, die Frauen packten ihre Kinder und liefen in alle Richtungen davon. Der Alte, viel zu schwach, sank nach nur wenigen Schritten nieder. Einer der Frauen, die in ihrer Panik direkt auf Frédéric zukam, versperrte er den Weg und hielt sie fest, bis Jules bei ihm war und er ihre Hände zusammenbinden konnte. Sie wehrte sich und biss Frédéric in den Arm, also schlug er sie, bis sie still und gefügig wurde. Hinter den Bäumen, aus sicherer Entfernung, schauten die anderen Zigeunerinnen zu.
    Während Frédéric bei ihrer Gefangenen blieb, ging Jules, das ließ er sich niemals nehmen, zum leblosen Körperdes Zigeuners und schnitt ihm beide Ohren ab. Dann nahm er sich den Alten vor, der kniend um sein Leben bettelte, und erstach ihn. Noch während dieser röchelte, schnitt er auch ihm die Ohren ab. Jules rieb mit etwas Laub das Blut von der Messerklinge, steckte die Ohren in ein Tuch und kehrte zu Frédéric zurück.
    Er rief in den Wald hinein: «Das nächste Mal holen wir auch euch», dann brachten sie ihre Beute zu den Pferden. Aus einem zweiten Stück Seil bastelten sie eine Schlinge, stülpten sie der Zigeunerin über den Kopf und zogen sie bis nach Marsal hinter sich her. Nachdem sie sich anfänglich gewehrt hatte, bis sie beinahe erwürgt worden wäre, hatte die Zigeunerin es bald aufgegeben und war ihnen mit erloschenem Blick gefolgt.
    Es war nicht einmal Mittagszeit, und sie

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