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Jacob beschließt zu lieben - Roman

Jacob beschließt zu lieben - Roman

Titel: Jacob beschließt zu lieben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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für euch beide.»
    Ich holte mein letztes Zeugnis aus der Schublade und ging in die Stube, Katica folgte mir. Er kümmerte sich überhaupt nicht um sie, sondern streckte den Arm nach mir aus. Ich legte das offene Zeugnisheft vor ihn hin, aber er klappte es wieder zu. Katica blieb auf der Türschwelle stehen.
    «Nimm Platz, Junge!», befahl er mir. «Ich habe dir etwas Wichtiges zu sagen. Ich werde ohne Umschweife reden, ich muss nachher wieder los. Sarelo ist nun seit anderthalb Jahren bei uns, und schon jetzt kennt er sich mit allem aus, was ein Bauer wissen muss. Er ist im Gegensatz zu dir sehr begabt, und ich habe beschlossen, ihn als meinen Erben einzusetzen. Dich interessiert das Land sowieso nicht, du bist mehr für die Schule und die Bücher gemacht.»
    Er nahm ein Buch, das auf dem Tisch stand, an sich, blätterte es durch und legte es wieder zurück. «Wenn er zwanzig ist, werde ich ihn als Verwalter einsetzen. Er macht seine Arbeit schon jetzt so gut, dass ihn sowohl die Bauern als auch die Landarbeiter respektieren. Ich wollte dir das früh genug sagen, damit du dir keine Hoffnungen machst und dich auf die Schule konzentrierst.»
    Er setzte sich hin, stellte ein Bein übers andere, spuckte auf den einen Stiefel und polierte ihn mit dem Ärmel seines Mantels.
    «Aber er ist nur ein dreckiger Zigeunerjunge!», platzte es aus mir heraus.
    «Das ist er nicht», erklärte Vater mit Nachdruck.
    Ich blickte Großvater an, denn wenn überhaupt jemand mich verteidigen konnte, dann er. Sein schwaches: «Daskannst du dem Jungen doch nicht auch noch antun» verhallte ungehört.
    Ich brach in Tränen aus, ich versprach Vater, dass ich dazulernen würde, dass ich mich um unsere Erde kümmern würde, besser sogar als Sarelo. Ich flehte ihn an, doch er polierte nur weiter die Stiefel. Schließlich murmelte er: «Die sehen wie neu aus.» Er stand auf, ein Berg von einem Mann, an dem nichts mehr – weder seine Stiefel, seine Mütze noch sein Mantel – etwas von jenem Mann verrieten, der sich einst wie ein Dieb ins Dorf geschlichen hatte.
    «Ich bin dein Sohn, nicht er!», rief ich erneut. «Er ist nur ein Zigeuner, der an den Bug gehört. Ich werde es den Gendarmen melden, wer er wirklich ist, dann werden wir sehen …» Mitten im Satz senkte sich seine Hand mit solcher Gewalt auf mich, dass mich der Schlag aus dem Gleichgewicht brachte. Er machte einen Schritt auf mich zu, doch einem weiteren Schlag wich ich rechtzeitig aus.
    «Ramina hatte recht, du bist gar nicht mein Vater!» Ich schlich mich an ihm vorbei, zog im Vorraum meine Schuhe an und stürmte aus dem Haus. Ich wusste nicht, wohin, aber meine Beine wussten es. Sie trugen mich durch die ganze Josefstadt, vorbei an Menschen und Geschäften, die ich gar nicht wahrnahm, zum Kanal.
    Als Katica, die mir nachgelaufen war, dort ankam, stand ich schon weit draußen auf dem Eis und lief aufgeregt und vom Gedanken besessen, dass es endlich brechen sollte, hin und her. Dass es sich öffnen und mich in das darunter wartende Wasser fallen lassen sollte. Ich trampelte auf den dünnsten Stellen herum, aber das Eis gab nicht nach. Es hatte andere Pläne mit mir, wie früher einmal Gott.
    Ich kauerte mich frierend und erschöpft nieder, während sich am Ufer und auf der nahen Brücke Menschen versammelten, die mir zuriefen, vernünftig zu sein und mich nicht ins Unglück zu stürzen. Sogar ein Polizist war aufgetaucht und versuchte vorsichtig zu mir zu gelangen, aber er fiel alle paar Meter hin. Auf Katicas breitem, gerötetem Gesicht zeigte sich die Furcht, die sie an meiner Stelle hatte.
    Wenn ich mich heute an sie erinnere, dann sehe ich sie dort mit aufgerissenen Augen und kleinen Händen, die sie zu Fäusten zusammengeballt hatte, stehen, nicht anders als in einem typischen amerikanischen Film. Weil nichts half und der Fluss mich nicht wollte, kauerte ich mich schließlich hin, bis ich vor Kälte schlotterte. Die Zuschauer waren enttäuscht, weil nichts mehr passierte, und zerstreuten sich. Auch der Gendarm war verschwunden, als ich ans Ufer zurückkehrte. Katica wollte mich umarmen, doch ich wich zurück.
    «Lass das, ich rieche schlecht», murmelte ich.
    Sie begann auf eine Art und Weise zu lachen, die es mir leicht machte, den Blick zu heben und ihr in die Augen zu schauen. «Jacob, du treibst dich zu viel bei Mosi herum. Auch der lässt sich nicht anfassen, aber weil er zu sauber ist.»
    «Du sagst es nicht weiter, nicht wahr?»
    «Schon das erste Mal habe ich mich

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