Jaeger
mir zusteht. Meinen gerechten Anteil.«
»Und warum haben Sie das nicht schon früher versucht? Warum erst jetzt?«
Amy ließ die Pistole ein Stück sinken, während sie über ihre Antwort nachdachte und ihre Wut zügelte. »Hab ich doch. Mehrmals sogar. Aber so was kostet Geld. Und wenn man eine Unperson ist, wenn man gar nicht existiert, dann hat man kein Geld. Aber was verstehst du schon davon?«
Dee schwieg. Gedanken an ihr früheres Leben geisterten durch ihren Kopf. Sie schob sie beiseite.
»Wer würde schon einer Verrückten Glauben schenken? Niemand.«
»Aber eine Verrückte mit einem verurteilten Mörder im Schlepptau – das wäre natürlich was ganz anderes.« Dee musste sich ein Grinsen verkneifen. Sie wusste genau, dass ihre Bemerkung Amy noch mehr in Rage versetzen würde.
»Halt’s Maul! Halt dein verdammtes Maul! Du weißt genau, dass das nicht die Wahrheit ist … Und wir hätten es auch beweisen können, Graham und ich. Das war unser Plan. Und das war auch der Grund, weshalb er sich mit Michael zerstritten hat: wegen mir. Graham konnte nicht ertragen, was Michael mir angetan hat. Er fand es abscheulich. Oh, anfangs war er natürlich Feuer und Flamme für die Idee. Er hat mitgemacht, war auf unserer Seite. Er hat geholfen, Stuart die Sache in die Schuhe zu schieben. Hat dafür gesorgt, dass Stuart in den Knast wandert. Aber was Michael mit mir gemacht hat – das ging in seinen Augen zu weit. Und als du dann auf der Bildfläche erschienen bist …«
»Ist er gegangen.«
Amy lächelte. »Ja. Er hat dich genauso sehr gehasst, wie er Michael gehasst hat. Und als Michael sich geweigert hat, ihm oder mir Geld zu geben, da haben wir uns einen Plan ausgedacht.«
»Diesen Plan.«
»Ja. Graham hatte eine Kopie vom Testament aufbewahrt. Das Testament, das mein Vater kurz vor seinem Tod geändert hatte. In dem Stuart als gleichberechtigter Erbe eingesetzt wurde. Wir mussten nur abwarten, bis Stuart freikam, dafür sorgen, dass er für zurechnungsfähig erklärt wurde, beweisen, dass man ihn zu Unrecht wegen Mordes verurteilt hatte, und uns seinen Anteil am Geld sichern. Das hat Michael natürlich nicht gepasst. Er war hinter uns her.«
»Durchaus mit Erfolg.«
Amys Antwort bestand nur aus einem Knurren.
»Der Plan war idiotensicher. Wir mussten die Psychologin mit ins Boot holen, die damals vor dem Prozess die Wahrheit schon geahnt hatte. Die hatte sich in der Zwischenzeit nämlich einen Namen gemacht. Sie ist jetzt hochangesehen.« Amy atmete zitternd aus. »Idiotensicher. Das hat Graham gesagt.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
»Tja, da hat er sich wohl geirrt.« Dee spürte, dass Amy allmählich den Mut verlor. Sobald der Golem kam, hätte die Sache ein Ende. Dann konnte sie zu Michael zurück und mit ihm zusammen ein neues Leben beginnen. Trotzdem wollte sie sich ein Letztes nicht verkneifen. »Sie haben die Sache vergeigt«, stellte sie fest. »Und zwar gründlich.«
»Halt’s Maul! Halt dein Maul!«
»Hoffnungslos vergeigt.«
Erneut riss Amy die Waffe hoch. Dee verstummte jäh. Hatte sie den Bogen diesmal überspannt? Doch dann nahm sie neben sich eine Bewegung wahr. Ein Schatten löste sich aus der Dunkelheit und nahm Gestalt an. Der Golem.
Dee lächelte. Ihr Selbstvertrauen war zurück. »Wie gesagt. Sie haben es vergeigt.«
Amy starrte die beiden an.
Und lachte.
112 Mickey rannte. Der andere Mann war schneller. Er kannte sich besser auf dem Schiff aus, fand mühelos den Weg zwischen den Containern und wich Hindernissen aus, die Mickey erst sah, wenn er schon fast über sie stolperte. Aufgerollte Taue. Kisten. Dem Mann gelang es jedes Mal, über sie hinwegzuspringen oder einen Haken zu schlagen. Vielleicht hatte er die Route auch in voller Absicht gewählt, um Mickey abzuhängen.
Langsam dämmerte Mickey, worauf seine Zielperson zusteuerte. Auf die Gangway. Den Pier. Dann wäre er auf Nimmerwiedersehen verschwunden.
Das durfte nicht passieren. Er musste ihn vorher erwischen.
Der Mann tauchte hinter einem Containerstapel auf und rannte entgegengesetzt von Mickey weiter. Mickey setzte ihm nach und sprang über ein aufgerolltes Tau, das ihm den Weg versperrte.
Der Fliehende sah sich nach seinem Verfolger um. Mickey zog das Tempo an, holte immer weiter auf. Der Mann schlug einen Haken und verschwand hinter einem anderen Container. Mickey folgte ihm, ohne das Tempo zu drosseln.
Gleich darauf spürte er einen heftigen Schmerz in der Brust.
Er ging zu Boden und schnappte
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