Jäger der Dämmerung
los!« Ihre Stimme klang heiserer als ihr lieb war, aber sie meinte es ernst. Sie durfte ihm nicht nahe sein.
Weglaufen war wohl ihre beste Chance. Nicht weil sie Angst hatte, sondern …
Mist, okay, sie hatte Angst.
Ja, es gab ein paar Sachen, die ihr Angst machten.
Jude ließ sie los.
Sofort fuhr Erin herum und zerrte am Türknauf. Ihre Handtasche schlug ihr gegen die Hüfte. Dann war sie draußen, stolperte auf die Veranda und schuf einigen Abstand zwischen ihnen.
Würde doch bloß ihr Herz aufhören, so wild zu pochen!
»Das ist noch nicht vorbei«, rief er ihr nach, als sie schon die Stufen hinunterrannte.
»Verdammt richtig.« Sie blickte sich zu ihm um. »Du musst meinen Mörder finden.«
»Nein, das meinte ich nicht.« Langsam trat er hinaus auf die Veranda. »Wir. Das mit uns ist noch nicht vorbei. Wir fangen gerade erst an.« Er leckte sich über die Lippen. »Ich kann dich noch schmecken.«
Und sie ihn. Außerdem war ihr Slip feucht. Und das allein von einem Kuss!
Was würde erst passieren, wenn sie beide nackt waren?
Nun, das wollte sie nicht herausfinden.
»Es wird passieren, Süße. Finde dich damit ab.«
Arrogantes Arschloch.
Verführerischer Mistkerl.
»Nein, wird es nicht.« Manchen Versuchungen durfte man nicht erliegen. »Damit darfst du dich abfinden.« Sie öffnete ihre Wagentür und stieg ein.
»Wieso versteckst du deine animalische Seite?« Er hob eine Hand und strich über die kleinen Wunden, die Erin sogar im matten Verandalicht erkennen konnte.
Weil manche ihrer Sinne ebenfalls ausgeprägter waren.
Danke, Mutter.
Sie hatte ihn gezeichnet, vielmehr hatte es die Bestie in ihr.
»Ich besitze keine animalische Seite«, sagte sie ruhig.
»Blödsinn. Das Tier in dir wartet nur darauf, endlich heraus zu dürfen.« Er wies auf die Wildnis hinter der Hütte. »Hast du Lust, dich zu wandeln und ein bisschen mit mir herumzulaufen?«
Ihr gefror das Blut in den Adern. »Du täuschst dich in mir, Donovan.« Beschädigt . Gebrochen. »In mir schlummert kein Tier, das darauf wartet, mit dir zu spielen. Tut mir leid.« Dann knallte sie ihre Tür zu. Sekunden später legte sie den Rückwärtsgang ein und bog aus seiner Einfahrt.
Manchen Versuchungen durfte man nicht erliegen.
Egal welche Wonnen sie versprachen.
Er träumte von ihr, als das Telefon bimmelte. Es war ein heißer, lustvoller Traum, der ihn hart machte. Erin trug nichts als zwei schmale Streifen schwarzer Spitze. Ihre Augen leuchteten. Ihre Lippen glänzten feucht.
Sie wollte ihn.
Und er konnte sie gar nicht genug anfassen, gar nicht genug von ihrer seidigen Haut fühlen und …
Dann läutete das Telefon.
Jude griff nach dem Hörer neben seinem Bett, wild entschlossen, dem Anrufer den Marsch zu blasen. »Was zur Hölle …«
»Jude.« Erins Stimme.
Sie war nicht atemlos vor Verlangen wie in seinem verblassenden Traum. Nein, sie klang ängstlich.
Hatte sie nicht gesagt, es gäbe wenig, das ihr Angst machte?
Jude setzte sich sofort auf. »Was ist los?« Ein Anruf mitten in der Nacht verhieß nie Gutes.
»Ich brauche dich.«
Okay, das hatte sie in seinem Traum ebenfalls gesagt, wenn auch etwas anders.
»408 St. Charles Avenue. Komm so schnell du kannst, ja?«
Klick.
Ein, zwei Sekunden lang starrte Jude auf den Hörer.
Dann rannte er zur Tür.
Denn Erin hatte Angst.
Vor dem alten Haus in der St. Charles Avenue waren weder Streifenwagen noch blinkende Blaulichter zu sehen.
Jude hatte eigentlich welche erwartet – oder zumindest irgendein Anzeichen von Problemen.
Das Vorkriegshaus, an dem die Zeit reichlich Spuren hinterlassen hatte, stand vollkommen friedlich da. Azaleen verbargen einen Teil des einst schönen Gebäudes, umgaben es mit einem duftenden Sichtschutz. Was nicht darüber hinwegtäuschte, dass von dem früheren Glanz der Fassade so gut wie nichts mehr übrig war.
Renovierungsbedürftig. Solche alten Häuser gab es in der Stadt zuhauf.
Aber nur in einem war seine Erin.
Jude blickte sich im Garten um. Seine Nasenflügel zuckten. Da war noch ein Geruch in der Luft. Ein schwerer, der sich mit dem süßlichen Duft der Azaleen vermengte.
Blut.
Er sprang die Treppe hinauf und stieß die Tür auf.
Und prallte gegen Erin.
Sie fielen in die Diele, beide fluchend. Jude versuchte, sich zu drehen, um ihren Sturz abzufangen und nicht auf ihr zu landen, aber es war zu spät.
Unsanft schlugen sie auf den Dielenboden auf.
Erin zuckte nicht einmal mit der Wimper.
Ihre goldenen Augen begegneten Judes, und
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