Jäger der Dämmerung
konnte.
Wenn ich ihr das erzähle, lässt sie sich nie wieder von mir anfassen. Sie wird mich fürchten, genauso wie sie den Mistkerl da draußen fürchtet.
Ihr Blick war so ruhig, ihr Körper so weich und warm an seinem.
Lüge! Dieses Flüstern kam von ganz tief. Er könnte sich eine rührselige Geschichte für sie ausdenken, und sich auf die Weise ihr Vertrauen sichern – und ihren wundervollen Körper.
Ihre Finger streichelten ganz zart seine Brust.
Ich kann sie nicht belügen. Nicht sie.
»Ich ging zu Night Watch, weil der Tiger Beute brauchte.« Die Kontrolle zu wahren, obwohl er immerfort jagen und kämpfen wollte, obwohl der Tiger danach verlangte, zu brüllen, zu beißen und zu reißen, hatte ihn an den Rand des Wahnsinns getrieben.
Night Watch war, blieb seine Erlösung. »Ich weiß, wie gefährlich die Anderen in dieser Welt sind. Ich weiß, dass Menschen nicht mit ihnen fertigwerden. Sie haben keine Ahnung. Und die Schweine, die die Grenze übertreten, die Menschen quälen und töten, müssen aufgehalten werden.« Er wusste nur zu gut, welche Bestien sich hinter den menschlichen Fassaden verbargen. Zu gut.
»Die Männer, die ich jage« – zumeist Paranormale, obwohl er auch gelegentlich auf Menschen angesetzt wurde –, »du willst nicht wissen, was sie getan haben.« Sogar er bekam davon Alpträume. »Ich hielt sie auf. Ich konnte etwas tun.« Was er zuvor nicht gekonnt hatte. »Dir mögen meine Methoden nicht gefallen, aber ich erledige meinen Job.« Punkt.
»Etwas tun, ist dir das wichtig?«
Du kannst die Vergangenheit nicht ändern, Junge. Du musst in die Zukunft blicken. Die Worte seines Großvaters, schroff vor Kummer. An dem Tag war Jude zwölf gewesen. Und er hatte gar nicht richtig verstanden, was sein Großvater meinte.
Heute war es ihm klar. »Ja, es ist mir wichtig.« Er atmete ihren Duft und den Geruch von Sex ein, der noch in der Luft lag. Dies mochte nicht der beste Zeitpunkt sein, es ihr zu erzählen, aber wann war schon ein günstiger Moment, so etwas zu sagen? »Erin, meine Eltern … Da gibt es etwas, das du über sie wissen musst.«
Die Stirn kräuselnd, setzte sie sich neben ihm auf, wobei sie das Laken mitnahm. »Was?«
Vertrauen. Er würde ihr vollkommen vertrauen. Zum ersten Mal in seinem ganzen verdammten Leben.
Ich kann nicht in diese Augen sehen und die Wahrheit zurückhalten. »Sie waren Gefährten.«
Ein mattes Lächeln trat auf ihre Züge. »Nun, die mussten sie wohl sein, sonst wärst du nicht hier.«
Richtig, aber … »Meine Mom hat meinen Vater nicht geliebt.« Das hatte er schon als Kind gewusst. Die Kälte war immer zu spüren gewesen. Aber Jude hatte auch die Hitze im Blick seines Vaters gesehen, sowie er sie ansah. »Er war verrückt nach meiner Mutter.« Verrückt traf es.
Gott, es war schwierig, diese Geschichte zu erzählen! Umso schwieriger, als er eine Scheißangst hatte, dass seine Worte sie in die Flucht trieben.
Sowie sie begreift, dass es in ihrem Leben nicht nur einen durchgeknallten Perversen gibt, sondern zwei.
»Die Geschichte hat kein Happy End, stimmt’s?«, fragte sie ruhig, angespannt. Die Fingerknöchel der Hand, mit der sie das Laken hielt, waren weiß.
Er schüttelte den Kopf. Wenn es doch so wäre … »Das meiste Gerede in der Anderen -Welt über psychopathische Gestaltwandler handelt von Wölfen.«
»Hat ein Wolf deiner Familie etwas angetan?«
»Nein.« Die Wölfe hatten reichlich andere verletzt, aber nicht ihn. »Man weiß, dass man einsame Wölfe meiden muss. Unter uns Tigern gibt es allerdings auch wahnsinnige Mistkerle, die das Töten lieben.«
»Raubtiere«, flüsterte sie.
Zum Glück waren sie sehr selten, doch hin und wieder verfiel ein Tigerwandler der Blutrunst. Wenn er es tat, und aus unbekannten Gründen waren es ausschließlich die männlichen, erlag er seinem Hunger vollständig. Die einzige Möglichkeit, ein solches Raubtier aufzuhalten, war, es zu töten.
»Meine Mom liebte meinen Dad nicht, hat ihn nie geliebt.« Paarungen konnten keine Gefühle erzwingen. So funktionierte die Natur nicht. »Eines Tages sagte sie ihm, dass sie ihn verlässt. Sie hatte sich in einen Menschen verliebt, wollte ein neues Leben mit ihm anfangen, und sie wollte mich mitnehmen.« Seine Mutter hatte ihn geliebt. Daran hatte er keine Sekunde gezweifelt.
Sein Großvater hatte dafür gesorgt, dass er es nie vergaß.
»Ich sah meinem Vater an, wie sehr es ihn schmerzte, aber was sollte er tun? Man kann einen Tiger nicht
Weitere Kostenlose Bücher