Jäger der Nacht (German Edition)
wahrscheinlich noch nicht sehr oft eine V-Mediale untergekommen, die aktiv nach Daten forschte.
Das Medialnet summte geschäftig, Informationen flossen auf den Datenbahnen hin und her, Gehirne strebten leise in unterschiedliche Richtungen, einige verschwanden plötzlich, folgten Verbindungen, die Faith nicht mehr einsehen konnte. Das war ganz normal. In gewisser Weise war das Medialnet auf dem Wissen der Medialen aufgebaut – deshalb war es schwer, Verbindung zu einem Gehirn oder einem Ort aufzunehmen, von dem man keine Vorstellung hatte.
In den unbekannten, heftigen Strömen bewegte sie sich leise und zurückhaltend. Da sie ihren Kardinalstern verlassen hatte, war sie nur noch eine gewöhnliche Mediale. Die meisten Kardinalmedialen machten sich nicht die Mühe, ihr strahlendes Licht beim Umherschweifen zu verbergen, aber Faith wollte lieber unerkannt bleiben. Hochkomplexe Schilde sicherten ihre Anonymität. Eigenartigerweise hatte der Clan ihr diese Technik beigebracht – als Vorsichtsmaßnahme, damit man sie nicht als Geisel nahm.
Zum ersten Mal in ihrem Leben tauchte sie in einen geistigen Chatroom ein. Die M-Medialen hatten ihr sehr anschaulich die Gefahren einer Reizüberflutung beschrieben, die eine solch unübersichtliche Umgebung auslösen konnte.
„Sie sollen sich über mögliche Kandidaten unterhalten haben“, warf jemand in den Raum.
„Hat ja lange genug gedauert“, antwortete ein anderer.
„Es muss einige der schwächeren Mitglieder in Besorgnis versetzt haben, jemanden so starken wie Santano zu verlieren“, mischte sich ein dritter ein.
Faith hätte nicht gewusst, wovon sie sprachen, wenn sie nicht bei ihren Nachforschungen über Sascha Duncan auf den Namen Santano Enrique gestoßen wäre. Aufmerksam geworden, suchte sie sich einen guten Beobachtungsposten und ließ alle Gedanken in sich verstummen.
„Niemand im Rat ist schwach“, gab der Erste zurück. „Auch wenn die Bewerber das gerne glauben würden.“
„Weiß man, wen sie in Betracht ziehen?“
„Der Rat hat absolutes Stillschweigen angeordnet. Wer dagegen verstößt, wird sofort ins Zentrum eingewiesen.“
„Weiß irgendjemand eigentlich genau, was mit Santano passiert ist? Offiziell heißt es, er sei aus unbekannten Gründen gestorben.“
„Ich weiß nur, dass niemand etwas weiß.“
Derselbe, der nach Santano gefragt hatte, meinte nun: „Ich würde wirklich gerne wissen, wie Sascha Duncan das Medialnet verlassen hat.“
„Das ist doch ein alter Hut – sie war zu schwach und konnte die Verbindung nicht mehr halten. Sehr wahrscheinlich gehörte sie von Anfang an nicht hierher, deshalb hat sie die Trennung auch überlebt.“
„Das klingt sehr einleuchtend, aber glaubst du nicht, es passt alles ein wenig zu gut?“
Nach kurzem Schweigen meinte ein anderer: „Vielleicht sollten wir diese Unterredung in einer Umgebung fortsetzen, die sicherer ist.“ Sein Bewusstsein klinkte sich aus und zwei andere folgten ihm, vielleicht an einen Ort, der allen dreien bekannt war.
Fasziniert von dem Gehörten, ließ sich Faith durch weitere Räume treiben, aber an keinem anderen Ort sprach man über ähnlich aufrührerische Themen. Trotzdem war es gut, dass sie scheinbar ziellos herumgezogen war, denn ganz zum Schluss bemerkte sie zwei Schatten, die ihr folgten. Sie ging im Geist noch einmal zurück und stellte fest, dass die zwei von Anfang an da gewesen waren.
Sie wusste genau, wer diese Leute auf sie angesetzt hatte. Selbst in der scheinbaren Anonymität des Medialnets war sie zu wertvoll, um allein gelassen zu werden. Kalte Wut stieg in ihr auf, ein so reines Gefühl, dass sie spürte, wie es in ihr brannte. Und ihr war vollkommen egal, dass es wie eine emotionale Reaktion aussah.
So schnell wie möglich kehrte sie in ihren Kopf zurück. Sobald sie in Sicherheit war, öffnete sie die Augen und überlegte, was sie tun sollte. Würde sie zu viel verraten, wenn sie sich mehr Privatsphäre ausbat? Konnte sie es ertragen, niemals wirklich allein zu sein? Nein.
Sie schluckte die Gefühle hinunter, die am Rande ihrer Konditionierung auftauchten. Dann stand sie auf, steckte ihre Haare zu einem eleganten Knoten hoch und schlüpfte in eines der fließenden Gewänder, die sie am liebsten während der Visionen trug. Das rostbraune Kleid hatte Spaghettiträger und der Saum reichte ihr bis zu den Knöcheln. Selbst wenn die Visionen sie nicht losließen, würde ihr Körper sich nicht beengt fühlen.
Als sie fertig war, ging sie ins
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