Jäger: Thriller (Ein Marina-Esposito-Thriller) (German Edition)
verlassen.
99 »Sie sind Stuart, richtig?«, fragte Marina und beugte sich vor. Sie versuchte sich ihre Ungeduld nicht anmerken zu lassen. »So lautet Ihr Name.«
Stuart nickte. Er schien erleichtert, erkannt worden zu sein.
»Und wer ist Amy? Können Sie uns das auch sagen, Stuart?«
Stuart lehnte sich zurück und begann die Zimmerdecke zu mustern.
»Stuart. Wer ist sie? Wer ist Amy? Wer ist sie?«
Franks legte Marina mahnend die Hand auf den Unterarm. Sie versuchte sich zu entspannen und rückte ein Stück von Stuart ab.
Stuart sah sie mit gekränkter Miene an. »Deswegen müssen Sie sich doch nicht gleich aufregen. Ich sag’s Ihnen ja.«
Marina nickte und versuchte ihren jagenden Herzschlag zu beruhigen. »Gut. Das freut mich, Stuart. Also, wer ist Amy?«
»Amy ist … Amy wollte meine Schwester sein. Hat sie jedenfalls gesagt. Aber in Wirklichkeit hat sie nur so getan. Eigentlich wollte sie es gar nicht. Eigentlich mochte sie mich nämlich überhaupt nicht leiden.« In seiner Stimme schwang Trauer mit. »Sie hat nur so getan, wenn andere Leute dabei waren. Damit sie in meiner Nähe sein konnte. Und wenn sie in meiner Nähe war, hat sie mir weh getan …« Er schlang sich die Arme um den Leib und begann langsam mit dem Oberkörper vor und zurück zu schaukeln.
Marina wurde immer unruhiger. Ihnen lief die Zeit davon. Wenn Stuarts Stimmung umschlug, wenn er in eine traumatische Trance fiel oder aus irgendeinem anderen Grund dichtmachte, wäre die Vernehmung zu Ende. Und wenn die Vernehmung zu Ende war, dann vielleicht auch das Leben ihrer Tochter.
Er war ganz ohne Zweifel seelisch gestört, und sie musste sich ihm mit äußerster Behutsamkeit nähern. Sie entschied sich für einen neuen Ansatz. Einen, der ihn weniger stark aufwühlen würde. »Amy wollte, dass Sie mit mir sprechen, Stuart, ist das richtig?«
Er runzelte die Stirn. »Sind Sie die Ärztin?«
»Ich bin die Psychologin, ja.«
»Dann sind Sie ja auch die Mutter von Josephina?«
Marina sah zu Franks, der durch ein Nicken sein Einverständnis signalisierte. »Ja«, sagte sie. »Ja, das bin ich.«
»Ich hab für Sie auf Josephina aufgepasst.«
Marina legte die Hände auf die Tischplatte, damit sie nicht so stark zitterten. »Dafür bin ich Ihnen sehr dankbar, Stuart. Wirklich.«
Er nahm den Dank mit einem Kopfnicken zur Kenntnis, ehe er erneut die Brauen zusammenzog. »Sie sind hier, um mir zu sagen, ob ich verrückt bin oder nicht, stimmt’s?«
»Also, ich … Ja, das … So könnte man es beschreiben.«
»Hm.« Er nickte und hielt in der Schaukelbewegung inne. »Ja. Ich war schon bei einer Menge Ärzten so wie Ihnen. Die haben mir immer Fragen gestellt. Wollten über alles Bescheid wissen. Darüber, was in meinem Kopf vorgeht.«
»Und haben Sie es ihnen gesagt?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein. Die Sachen in meinem Kopf gehen nur mich was an. Die sind privat.«
»Da haben Sie recht, Stuart«, pflichtete Marina ihm bei und bemerkte ein Flackern in seinen Augen. Bitte, lass mich einen Zugang zu ihm finden. Bitte. Um Josephinas willen . »Ich werde Sie nicht nach den privaten Dingen in Ihrem Kopf fragen.«
»Gut.« Er wirkte erleichtert.
»Aber ich wüsste wirklich gerne, weshalb Amy wollte, dass Sie mit mir reden. Können Sie mir das vielleicht erklären?«
Wieder ein Nicken. »Damit ich ein neues Leben haben kann. Und eine Zukunft.«
»Verstehe. Und wie genau sollte das funktionieren?«
»Sie sollten mit mir reden, und dann sollten Sie allen sagen, dass ich nicht verrückt bin, und dann würde ich ganz viel Geld bekommen.« Er zuckte mit den Schultern. »Und dann würden wir alle glücklich sein.«
Marina nickte. »Okay … Gab es denn so etwas wie ein Testament, Stuart? Ging es darum? Sollte ich Sie für zurechnungsfähig erklären, damit Sie Ihren Anteil am Erbe der Sloanes erhalten, so wie Ihr Bruder und Ihre Schwester?«
Bei der Erwähnung seiner Geschwister fröstelte es Stuart, er nickte aber.
»Und von wie viel Geld war die Rede, Stuart?«, meldete sich Franks in seinem walisischen Bariton zu Wort.
Ein Grinsen flog über Stuarts Gesicht, ehe er in unbeholfenem Cockney-Dialekt sagte: »›Halt dich an mich, Kumpel, und nächstes Jahr um diese Zeit sind wir Millionäre.‹ Das hat Jiminy gesagt.«
»Verstehe«, sagte Franks. »Und er bezog sich dabei auf das Geld der Sloanes?«
Stuart schwieg.
Franks lehnte sich über den Tisch. »Haben Michael und Dee Sloane ihren eigenen Vater getötet? Wollen Sie das damit
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