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Jäger: Thriller (Ein Marina-Esposito-Thriller) (German Edition)

Jäger: Thriller (Ein Marina-Esposito-Thriller) (German Edition)

Titel: Jäger: Thriller (Ein Marina-Esposito-Thriller) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Carver
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lauschte auf das Stöhnen und Schreien jenseits seiner Tür und dachte über das Totsein nach. Wenn sein Körper zerfallen wäre und sein Geist sich aufgelöst hätte. Nichtsein. Keine Gedanken, kein Leben, keine Erinnerungen. Einfach nur nichts.
    Und dann fühlte er sich einsam. So einsam, wie er nie gedacht hatte, dass sich ein Mensch überhaupt fühlen konnte.
    Irgendwann kam der Morgen, und ein neuer Tag brach an, der genauso war wie der vorangegangene und wie der darauffolgende. Jedes Mal beim Aufwachen blieb ein größeres Stück des Traums an ihm haften, so dass seine Lebendigkeit immer weiter schwand. So lange, bis es sie schließlich gar nicht mehr gab. Bis er zu nichts geworden war.
    Mittlerweile war er nur noch eine Ansammlung von Erinnerungen. Und Erinnerungen, das wusste er, waren in etwa so zuverlässig wie die Zeit. Wenn man jemandem sagte, ein Tisch sei ein Stuhl, und wenn man es ihm nur lange und deutlich genug sagte, würde er es früher oder später glauben. Dasselbe war mit seinen Erinnerungen passiert. Die Leute hatten ihm erklärt, was er getan hatte. Was der Auslöser dafür gewesen sei. Was die Folgen davon gewesen seien. Und obwohl er ihnen nicht geglaubt und sich gegen ihre Worte gesträubt hatte, obwohl er versucht hatte, dem seine eigenen Erinnerungen entgegenzusetzen, waren ihre Erinnerungen am Ende stärker gewesen und hatten gesiegt. Es hatte Jahre gedauert, aber schließlich hatte er anerkennen müssen, dass das, was die Leute sagten, die Wahrheit war. Dass ihre Erinnerungen seine waren. Dass er wirklich getan hatte, wovon sie behaupteten, er habe es getan.
    Nachdem er den Widerstand aufgegeben und zugelassen hatte, dass sie ihre Ereignisse in seinen Kopf pflanzten, war es leichter geworden. Sie waren netter zu ihm und hatten davon geredet, ihn gehen zu lassen. Womöglich war sogar die Zeit schneller vergangen. Aber vielleicht war das auch nur wieder so ein Trick der Zeit, die ihm etwas vorgaukelte, was gar nicht stimmte.
    Aber vielleicht auch nicht. Weil der Tag nämlich gekommen war. Heute war der Tag. Nie wieder auf Gardinen starren. Nie wieder in seiner Zelle sitzen, mit seinen auswendig gelernten Büchern, und von einem Tod im Leben träumen.
    Er würde rauskommen. Er würde frei sein.
    Sie hatten betont, dass dies etwas Gutes sei. Dass er sich doch bestimmt darauf freue. Er hatte ihnen zugestimmt, weil es das war, was sie hören wollten. Wenn sie zufrieden waren, war auch er zufrieden.
    Er hörte einen Schlüssel im Schloss knirschen. Stand auf. Blickte geradeaus zur Wand. Die Tür öffnete sich, und zwei von ihnen traten ein. Einer lächelte.
    »Heute geht’s nach Hause, was?«, fragte der mit dem Lächeln.
    Er wollte sagen, Ich bin zu Hause , wusste es aber besser. Also nickte er.
    Das Lächeln des einen wurde zum Lachen. »Wahrscheinlich hast du keine Ahnung, was du jetzt mit dir anfangen sollst.«
    Weil er wusste, dass eine Antwort von ihm erwartet wurde, fing er auch an zu lachen. »Und ob ich eine Ahnung habe.«
    Da lachte der, der zuvor gelächelt hatte, erneut.
    »Such deine Sachen zusammen und komm«, sagte der andere mit einem Gähnen.
    Er kannte ihre Namen und hatte sie sogar ein paarmal benutzt. Aber er würde sie vergessen, kaum dass er draußen war. Weil er sie dann nicht mehr brauchen würde.
    Er sah sich ein letztes Mal in seiner Zelle um. In seinem Zuhause. Sein Blick streifte die Gardinen, die auswendig gelernten Bücher, seine Toilettenartikel. »Ich will nichts mitnehmen«, sagte er.
    »Wie du meinst.«
    Er folgte ihnen nach draußen.
    Die Tür fiel schwer hinter ihm ins Schloss.
    Er verließ den Trakt, ging den langen Gang entlang aufs Tor zu und versuchte, nicht an die Vergangenheit zu denken, sondern an die Zukunft. Er hoffte, dass die Zeit ihn von nun an nicht mehr austricksen würde und dass ein Tisch jetzt wieder ein Tisch wäre und kein Stuhl.
    Er gab sich Mühe, nicht bei jedem Schritt seinen Tod zu spüren.
    5 Marina öffnete die Augen. Sie versuchte, etwas zu erkennen, aber es war zu hell. Geblendet kniff sie sie zusammen, um sie dann erneut, diesmal langsamer, wieder zu öffnen.
    Sie sah Vorhänge aus dünnem Stoff mit einem Muster, das ihr nicht bekannt vorkam. Sie schaute sich um. Sie befand sich in einem kleinen Zimmer. Nein, kein Zimmer, eine Art Kabine. Diese hatte eine beigefarbene Wand, an der ein kleines Waschbecken angebracht war. Als sie an sich herabschaute, wurde ihr klar, dass sie auf einer Untersuchungsliege lag. Einige Sekunden lang

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